■ Kann man den Holocaust darstellen? Daniel Libeskinds Mahnmal-Entwürfe: Tote Monumente, lebendige Leere
Daß der Holocaust nicht darstellbar ist, wurde noch einmal quälend bewußt, als in Berlin über das Mahnmal für die ermordeten Juden diskutiert wurde. Der erste Wettbewerb war revidiert worden, weil die geplante 100 x 100 Meter große Grabplatte dem Kanzler zu monströs erschien. Überhaupt verloren sich die künstlerischen Entwürfe entweder in kitschigen Gedenkidyllen, monumentalen Trauerblöcken oder in sisyphosartigen Aufzählungskonzepten all der Toten. Wie aber soll man den kommenden Generationen das Ausmaß der Judenvernichtung vermitteln?
Seit seinem Umzug nach Berlin beschäftigt sich Daniel Libeskind verstärkt mit dem Bau und der Gestaltung von Gedenkstätten des Holocaust. Er selbst stammt aus einer jüdischer Familie, die fast vollständig in Konzentrationslagern ums Leben kam. Dabei ging es Libeskind in seinen Entwürfen schon bei seinem Bau des Jüdischen Museums in Berlin vor allem darum, die Leere kenntlich zu machen, die die Judenvernichtung auf allen Ebenen des gesellschaftlichen Zusammenlebens zurückgelassen hat. Die von ihm konzipierten „Voids“ sind architektonische Auslassungen, die sich im Jüdischen Museum der Länge nach durch das gesamte Gebäude ziehen und so einen leeren Korridor bilden, der von außen durch Schlitze sichtbar ist.
Nachdem Libeskind zunächst auf die Teilnahme am Wettbewerb für das Berliner Holocaust-Mahnmal verzichtet hatte, sieht sein jetziger Entwurf eine Erweiterung des Leerstellen-Konzepts für den Platz in der Nähe des Brandenburger Tors vor. Für das Projekt namens „Steinatem“ ist geplant, die Achse für das Mahnmal so zu verschieben, daß die Gedenkstätte auf der einen Seite in den Tiergarten hineinreicht und zum anderen in Verbindung mit dem Reichstagsgebäude gebracht wird. Dadurch, so Libeskind, kann die „Gleichzeitigkeit von Präsenz und Abwesenheit“ der Judenvernichtung auch für die Zukunft sichtbar gemacht werden.
Auf dem eigentlichen Platz will er eine 21 Meter hohe Mauer aus fünf Segementen errichten, so daß die Unterbrechungen direkt auf die Formensprache im Jüdischen Museum verweisen, mehr noch: In ihrer Masse sollen die Wände genau dem Hohlkörper entsprechen, der am Museum ausgespart wurde. Die einzelnen Wände wiederum will Libeskind in der Art „Alt-Berliner Porzellans“ schichten. Über den Entwurf wird bis zum 27. Januar entschieden.
Eine andere Gedenkstätte des Architekten wird zur Zeit auf dem ehemaligen SS-Gelände in Oranienburg, Sachsenhausen, realisiert. Nachdem die Auslober sich zuerst auf eine Bebauung des Geländes mit 8.000 Wohnungen geeinigt hatten, stieß das Projekt auf entschiedene Kritik seitens der Bevölkerung, die Wohnanlagen am Ort der Nazi-Verbrechen strikt ablehnte. Also entschied man sich für eine Gestaltung durch Libeskind, dessen eingereichter Entwurf zuvor einen Spezialpreis erhalten hatte.
Auch für „Mourning“ sollen Häuser rund um das Gelände gebaut werden. Allerdings werden nun keine Wohnungen mehr errichtet, sondern soziale Einrichtungen, Schulungszentren, eine Bibliothek und Veranstaltungsräume, damit die Urbanisierung des historischen Ortes einen „Hoffnungs-Einschnitt“ darstellt. Die Fläche zwischen den drei ehemaligen Hauptgebäuden des Konzentrationslagers hat Libeskind dagegen abgetragen und geflutet, so daß dort ein See entsteht, der die darin emporragenden Bauten mit einer Art „Leere“ umhüllt. Dazu Libeskind in seiner Erklärung des Projekts: „Besucher können von erhöhten Stegen aus den schleichenden Verfall der Gebäude verfolgen und gleichzeitig diesen Ort als eine neue Taufe erleben“. hf
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