Kandidatin für Supreme Court: Pflichtverteidigerin gegen „Könige“
In den USA könnte jetzt mit der Juristin Ketanji Brown Jackson die erste afroamerikanische Frau Richterin am höchsten Gericht werden.
Diese und andere Wendungen ihrer Karriere dürften ab diesem Montag auf den Tisch kommen. Ketanji Brown Jackson stellt sich dem Justizausschuss des US-Senats als Kandidatin von Präsident Joe Biden für einen Richterposten am Obersten Gericht der USA.
Vier Tage dauern die Anhörungen der nominierten Juristin. Sollte alles gut gehen und sie auch der Senat bestätigen, wäre Jackson als Richterin am Supreme Court die erste afroamerikanische Frau. Zugleich würde erstmals eine Richterin mit Erfahrung als Pflichtverteidigerin auf den Posten kommen.
Erst letztes Jahr war sie Richterin am Berufungsgericht des Hauptstadtdistrikts District of Columbia geworden – damals auch mit Unterstützung dreier Republikaner:innen im Senat. Bidens Demokrat:innen hoffen auch dieses Mal auf republikanische Stimmen für Jackson.
Der Sitz, der nun am Supreme Court frei wird, ist der von Richter Stephen Breyer. Der liberale 83-jährige Jurist zieht sich vorzeitig zurück und machte für Biden die Neubesetzung eines Sitzes am politisch umkämpften Obersten Gericht möglich.
Die Besetzung des Gerichts ist brisant: Da die Richter:innen auf Lebenszeit ernannt werden, hat ihre Auslegung der Verfassung über Jahrzehnte großen Einfluss auf das Recht und die Gesellschaft des Landes.
In nächster Zeit stehen einige richtungsweisende Urteile auf der Agenda des Supreme Courts. Unter anderem wird erwartet, dass die konservative Mehrheit das 1973 ergangene Grundsatzurteil Roe v. Wade zur Legalisierung der Abtreibung teils aushebelt. Derzeit halten Richter:innen, die einem konservativen Lager zugerechnet werden, sechs der neun Sitze.
Jackson wurde in Washington, D. C., geboren, wuchs aber in Florida auf. Ihre Eltern, so erzählte sie in einer Rede an der Universität von Georgia, waren Anfang der 1970er von der US-Bürgerrechtsbewegung beeinflusst.
Vom Highschool-Debattierclub nach Harvard
„Sie entschieden, ihren Stolz auf die afrikanischen Vorfahren meiner Familie auszudrücken, indem sie meine Tante, die gerade im Peace Corps in Afrika war, nach einer Liste afrikanischer Mädchennamen zur Auswahl fragten“, so Jackson. Sie wählten „Ketanji Onyika“, ein Name, der etwa „die Reizende“ oder „die Hübsche“ bedeuten soll.
Laut Jackson habe besonders der Debattierklub in ihrer Schule eine wichtige Rolle für ihre Entwicklung gespielt. Die Diskussionen hätten ihr Selbstvertrauen verliehen und sie auf ihren späteren Werdegang vorbereitet.
Der führte sie zur Eliteuniversität Harvard, wo sie ihren jetzigen Ehemann kennenlernte, den Mediziner Patrick Graves Jackson, mit dem sie zwei Töchter hat. Er und sein Zwillingsbruder seien die sechste Generation der Familie mit Harvard-Abschluss, so Jackson.
Ihr Mann und sie seien „ein ungleiches Paar in vielerlei Hinsicht“. Über ihn führt auch eine Verbindung in die republikanische Partei: die Verwandtschaft mit dem Ex-Sprecher des Repräsentantenhauses Paul Ryan.
Streit um Erfahrung als Pflichtverteidigerin
Jackson arbeitete sowohl in Kanzleien als auch für den Verfassungsrichter Stephen Breyer, den sie nun ersetzen soll. Attacken erwarten Beobachter:innen etwa hinsichtlich Jacksons Erfahrung in der Strafverteidigung: Zwischen 2005 und 2007 arbeitete sie auf Bundesebene als Pflichtverteidigerin und vertrat als solche mittellose Mandant:innen.
Kritiker:innen versuchen schon, ihr die Erfahrung als Verteidigerin als Nachteil auszulegen und sie als nachsichtig gegenüber Verbrecher:innen darzustellen. „Die Soft-on-crime-Brigade steht voll und ganz auf der Seite von Richterin Jackson“, erklärte der republikanische Minderheitsführer im Senat Mitch McConnell.
Missouris Senator Josh Hawley warf Jackson zudem vor, bei sexuellem Missbrauchs an Kindern den Tätern gegenüber für Milde zu plädieren – ein Vorwurf, den das Weiße Haus sofort heftig zurückwies.
Auch die Rechtshilfeorganisation National Legal Aid & Defender Association (NLADA) geht davon aus, dass Jacksons Arbeit als Pflichtverteidigerin eine Rolle in den Anhörungen spielen wird: „Wir sind der Meinung, dass ihr Wirken als Pflichtverteidiger einen großen Dienst für unser Land darstellt“, sagt Rhadika Singh, die in der Organisation die Abteilung für zivilrechtliche Dienstleistungen leitet.
Jacksons „Perspektive gibt ihr eine einzigartige Sichtweise, die im höchsten Gericht vertreten sein sollte – immerhin in dem Gericht, das überhaupt das Recht auf einen Pflichtverteidiger in der Verfassung verankert hat“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja