Kanadisches Protestmaskottchen: Polizei raubt Plüschbärschädel
Er ist die Symbolfigur der Studentenproteste. Doch Anarchopanda verstößt gegen das Vermummungsverbot. Das kostete ihn kurzzeitig den Kopf.
Fast eine Woche war er kopflos – der Anarchopanda. Am vergangenen Freitag geriet der Plüschbär bei einer Demo im kanadischen Montréal in einen Polizeikessel. Die Beamten konfiszierten dabei seinen Schädel. Erst am Mittwoch gab die Polizei das Oberteil wieder frei, so eine Meldung von Radio Canada.
Anarchopanda ist das Alter ego des Philosophieprofessors Julien Villeneuve, der am Montréal CEGEP Collège de Maisonneuve unterrichtet. Noch Mittwochnacht schlüpfte Villeneuve in sein Bärenkostüm, setzte sich den wiedererlangten Kopf auf und schoss ein //de-de.facebook.com/photo.php?fbid=350596181718930&set=pb.218855501559666.-2207520000.1365690714&type=3&theater:Foto, das er auf die //de-de.facebook.com/Anarchopanda:Anarchopanda-Facebookseite stellte.
„Eine riesige Beule auf der Rückseite, und das eine Ohr ist ein wenig ruiniert“, lautet der Schadensbericht. Villeneuve verlangte eine Entschuldigung von der Polizei, bisher ohne Erfolg.
480 Strafe für Gesichtsverhüllung
Die Demo hatte sich gegen die so genannte Gemeindeverordnung P-6 gerichtet. Das Gesetz wurde von Montréals Stadtregierung als Reaktion auf die heftigen Proteste gegen die Erhöhung von Studiengebühren erlassen, die sich im vergangenen Frühjahr in allen Unistädten des kanadischen Bundesstaates Quebec entzündet hatten.
P-6 klingt nach einer Anpassung an deutsches Recht: Sie schreibt vor, dass Demos angemeldet werden müssen und dass die Polizei von den OrganisatorInnen über den genauen Verlauf der Demoroute informiert wird. Und es untersagt den Protestierenden, „ihr Gesicht ohne guten Grund zu verdecken“. Was ein guter Grund sein könnte, darf laut Verordnung allein die Polizei entscheiden.
Umgerechnet rund 480 Euro muss zahlen, wer diese Vorschriften erstmalig verletzt, weiß das Online-Portal heise.de zu berichten. Auch der Bundesstaat Quebec hat längst ein ähnliches Gesetz verabschiedet. Dort bemessen sich die Strafen nach dem Grad der Beteiligung am Protest. „Rädelsführer“ müssen mehr hinlegen. Die Bußgelder erhöhen sich bei der zweiten Rechtsverletzung um das Doppelte.
Die Polizei umarmen
Klar, dass Anarchopanda einer der schärfsten KritikerInnen dieser Verordnung ist. Mit seinem Pandakostüm gehört Villeneuve inzwischen zum Inventar fast jeder Studentendemo in Montréal. Die Anti-Gebühren-Proteste vom Frühjahr 2012 waren auch Anarchopandas Geburtsstunde.
Der hat es sich allerdings zum Ziel gesetzt, deeskalierend zu wirken. Die Polizei hatte während der Studentendemos massiv Tränengas und Pfefferspray eingesetzt. Im Netz kursieren Videos, in denen zu sehen ist, wie Anarchopanda sowohl Studenten als auch Polizisten umarmt. So manch brenzlige Situation soll er damit schon entschärft haben.
Dass Montréals Stadtregierung gewillt ist, ihre Verordnung konsequent durchzusetzen, hatte sie erst am 22. März, am Jahrestag des Studentenprotests bewiesen. Damals richtete sich der Protest auch gegen die neue Regelung. Die Polizei griff nur fünf Minuten nach Versammlungsbeginn ein und verhaftete 294 TeilnehmerInnen. Allen wurde das neue Bußgeld aufgebrummt – auch Anarchopanda befand sich darunter.
Hatten die Beamten am 22. März noch den Kopf am Pandakostüm gelassen, so hieß es am vergangenen Freitag: „Rübe ab!“ Die nachgereichte Begründung der Ermittlungsbehörden: Anarchopandas Kopf diene als Beweisstück gegen Villeneuve, der nun zum zweiten Mal gegen das Vermummungsverbot verstoßen habe, berichtete die Online-Ausgabe der englischsprachigen Tageszeitung Montreal Gazette.
Die Beschlagnahmung verursachte allerdings einen regelrechten Shitstorm gegen die Polizei in den sozialen Medien. Sie inspirierte zahlreiche Cartoons und Foto-Collagen, unter anderem eine, in der Polizisten //de-de.facebook.com/photo.php?fbid=349403508504864&set=pb.218855501559666.-2207520000.1365693072&type=3&theater:den Kopf des Bären wie eine Jagdtrophäe in die Höhe werfen.
Ein Panda-Back-Up
//twitter.com/Anarchopanda:Villeneuve bezweifelte, den Panda-Kopf jemals zurückzubekommen. Weshalb er inzwischen übers Internet einen Ersatz bestellt hatte. Das neue Modell wird wohl künftig als Reserve dienen, für den Fall, dass das Original erneut in die Hände der Polizei geraten sollte.
Radio-Canada zitierte Villeneuve mit den Worten, „es muss schon viel mehr passieren als seine Köpfung, um Anarchopanda von der Bildfläche verschwinden zu lassen.“
Im vergangenen Frühjahr hatte Villeneuve selbst eine Klage gegen die Gemeindeverordnung P-6 eingereicht. Sein Antrag, das Gesetz während des laufenden Gerichtsverfahrens außer Kraft zu setzen, wurde allerdings im Juni von einem Richter abgewiesen. Mit einer endgültigen Entscheidung kann erst im Oktober gerechnet werden.
Die zwei stärksten Oppositionsparteien im Rathaus von Montreal könnten allerdings so lange nicht warten wollen. Beide, Projet Montréal und Vision Montréal, haben wiederholt die P-6 als Angriff auf die Versammlungsfreiheit verurteilt. Erst am Montag hatte Projet Montréal angekündigt, dass es Ende April im Stadtrat einen Antrag auf das sofortige Aus der Gemeindeverordnung stellen wird.
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