Kampfjets für die Schweiz: Volksabstimmung über Milliardendeal

Braucht die neutrale Schweiz eine Luftwaffe? Oder soll das Geld lieber für soziale Zwecke ausgegeben werden? Über den Kauf neuer Kampfjets entscheidet bald das Volk.

Die F18-Kampfjets der Schweizer Luftwaffe sollen ersetzt werden. Bild: dpa

BERN dpa | Darüber lachte die Welt: Als ein Flugzeugentführer im Februar eine äthiopische Passagiermaschine zur Landung in der Schweiz zwang, musste sie von französischen Kampfjets eskortiert werden. Der Grund: Es war noch früher Morgen und die Eidgenossen-Luftwaffe ist nur zu Bürozeiten im Einsatz. „Hallo Terroristen“, hieß es in ätzenden Twitter-Kommentaren. „Angriffe auf die Schweiz bitte nur an Wochentagen zwischen 08.00 und 16.00 Uhr.“

Die Peinlichkeit war nicht der letzte Tiefschlag für das Vorhaben der Regierung in Bern, umgerechnet 2,6 Milliarden Euro für 22 Kampfjets vom Typ Gripen des schwedischen Herstellers Saab auszugeben. Das letzte Wort hat das Volk am 18. Mai bei einem Referendum.

Je näher die Entscheidung rückt, desto mehr spitzt sich der Streit darüber zu. Gegner der Neuanschaffung fragen: Braucht ein neutrales Land heute noch eine Luftwaffe? Zumal eine, die nur zu Bürozeiten fliegt?

„Zur Erfüllung des Luftpolizei-Auftrags genügen die vorhandenen 32 F/A-18-Flugzeuge, zumal wir von Freunden umgeben sind“, argumentiert das "Bündnis gegen neue Kampfflugzeuge". Bern solle die Milliarden besser in Bildung und den öffentlichen Nahverkehr investieren.

Zur Stimmabgabe gegen den Gripen-Deal rufen auch Sozialdemokraten und Grüne auf. Die bürgerlichen Parteien befürworten die Modernisierung der Luftwaffen-Ausrüstung. Allerdings: Die Plattform der Frauen in der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP) empfiehlt ein Nein.

Die Schar der Gripen-Gegner in der weiblichen Bevölkerung könnte nun weiter wachsen. Dafür hat ausgerechnet der eifrigste Befürworter des Deals gesorgt, Verteidigungsminister Ueli Maurer. Bei einer Werbetour versuchte der Politiker der national-konservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) dem Publikum am Wochenende den Kampfjet-Kauf mit einem Witz schmackhaft zu machen: „Wie viele Gebrauchtgegenstände, die 30 Jahre alt sind, haben Sie noch zu Hause?“, fragte Maurer und fuhr fort: „Bei uns sind das nicht mehr viele, außer natürlich die Frau, die den Haushalt schmeißt.“

Der Ärger über den Vergleich von Frauen mit alten Flugzeugen, den linke Politiker als „Anfall von Sexismus“ brandmarkten, war noch nicht verraucht, da gab es am Dienstag die nächste mediale Flak-Salve gegen den Gripen: Der schwedische Rundfunk und Schweizer Zeitungen berichteten von Geheimdokumente über Versuche zur Beeinflussung von Schweizer Abgeordneten durch Stockholms Botschafter Per Thöresson.

Noch Überzeugungsarbeit notwendig

Der Diplomat habe Maurer im vorigen Jahr Aufzeichnungen übergeben, bei welchen Mitgliedern der sicherheitspolitischen Kommission des Schweizer Parlaments „es noch Überzeugungsarbeit braucht“. Das Parlament hatte dem Milliardendeal auf Empfehlung der Kommission zugestimmt.

Mit Spannung wird nun erwartet, wie sich die Umfragewerte entwickeln. Schon vorher sah es für den Gripen – der Name spielt auf das Fabelwesen Greif an – eher nach Absturz als nach Steigflug aus: Zwischen 52 und 61 Prozent schwankte der Anteil der Ablehner.

Zig-Millionen hat Saab in das Export-Projekt investiert und sich dabei auch gegen Angebote der Konkurrenz durchgesetzt: Die USA offerierten die F/A-18 von Boeing, die Franzosen den Rafale-Jet von Dassault sowie Deutschland, Italien, Spanien und Großbritannien den Eurofighter von EADS.

Belastete Verhältnisse

Einen Deal mit den Skandinaviern meinte Bern wohl noch am ehesten beim Stimmvolk durchzubekommen: Während man mit den USA, Frankreich und Deutschland seit Jahren über die Schwarzgeldbesteuerung streitet, gilt das Verhältnis zu Schweden als risikofrei. „Beide Länder sind neutral, was die Typenwahl als gut schweizerisch erscheinen lässt“, schrieb die Berner Zeitung Der Bund.

Zudem hat Maurer nicht nur Hausfrauenwitze im Argumente-Köcher. Ohne neue Kampfjets werde die Schweiz ihren Luftraum bald nicht mehr schützen können, warnte er in der Zeitung Schweiz am Sonntag. Spätestens 2025 sähe es so aus: „Wir haben keine Luftpolizei mehr, wir können keine internationalen Konferenzen mehr beschützen - wir haben kein Dach mehr über dem Kopf!“ Dann würden sich die UN-Organisationen aus Genf verabschieden – „ein gewaltiger Imageschaden“.

Aber was ist mit den schildbürgerhaften Dienstzeiten der Schweizer Luftwaffe? Die werde selbstredend künftig rund um die Uhr im Einsatz sein, verspricht der Minister.

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