Kampf um den Smartphone-Markt: Software schluckt Hardware
Microsoft übernimmt die Handysparte von Nokia. Auf dem Markt tummeln sich nur noch drei große Anbieter. Datenschützer sehen das mit Sorge.
BERLIN taz | Kein guter Tag für die europäische Industrie: Der finnische Konzern Nokia verkauft seine Handysparte an den US-amerikanischen Softwareriesen Microsoft. Nokia wolle sich künftig auf Netzwerk-Technik konzentrieren, hieß es am Dienstag. Nokia arbeitet schon länger mit Microsoft zusammen.
Microsoft will Nokia rund 5,44 Milliarden Euro zahlen. Davon sollen 3,79 Milliarden Euro auf den Kauf der Handysparte entfallen. Weitere 1,65 Milliarden Euro sollen für Patente fällig werden. Nokia hat den globalen Handymarkt jahrelang dominiert, dann aber den Trend zum Smartphone zunächst verschlafen.
Für den Software-Konzern Microsoft ist die Übernahme eine willkommene Gelegenheit, sich mit Handy-Hardware zu bestücken – und den entsprechenden Patenten, die sowohl für die technische Entwicklung als auch bei juristischen Auseinandersetzungen mit den Konkurrenten von Nutzen sein können.
Der Smartphonemarkt wird nun geprägt von drei großen Anbietern: Apple, Microsoft/Nokia und Google/Samsung; der Anbieter Blackberry wird sich wohl vor allem auf die Marktnische hochpreisiger Produkte konzentrieren.
Piraten sorgen sich
„Wir sehen diese Entwicklung mit Sorge“, sagte Volker Berkhout, Spitzenkandidat des hessischen Landesverbandes der Piratenpartei, der taz. „Da kann man schon Angst vor einem Oligopol bekommen.“ Für neue Anbieter werde es immer schwerer. Die Verbraucher sollten die Entwicklung freier Betriebssysteme für Smartphones genau beobachten und diese gegebenenfalls nutzen, auch wenn dies mit Komforteinbußen einhergehe. Dies gebiete der Datenschutz.
Caren Lay, Verbraucherschutzexpertin der Linkspartei, sieht „die Tendenz zur Monopolisierung im Bereich der Mobilfunk-Technologie“ kritisch. Jetzt verschwinde das letzte große Handy-Unternehmen aus Europa, sagte sie der taz.
„Dabei wären gerade vor dem Hintergrund des NSA-Skandals unabhängige Technologien und Betriebssysteme wichtig, die den Datenschutz ernst nehmen und die Überwachung nicht als Standardfunktion eingebaut haben“, so Lay weiter. Die wichtigsten Handy-Betriebssysteme seien jetzt alle in der Hand von US-Konzernen, deren Kooperation mit den Überwachungsbehörden belegt sei.
Abstinenz kann helfen
Dieser Umstand ist auch für Michael Horn vom Chaoscomputerclub „kein schöner Gedanke“. Mancher ziehe bereits die Konsequenz, ganz oder teilweise auf Mobiltelefone zu verzichten. „Das funktioniert erschreckend gut und bringt sogar Lebensqualität mit sich.“
Die Verbraucherzentrale Bundesverband bewertet die Übernahme zurückhaltend. Es könne sein, dass durch weniger Wettbewerb die Preise für Verbraucher stiegen, sagte Verbands-IT-Experte Michael Bobrowski der taz. Möglich sei aber auch, dass sich die großen Anbieter nun einen umso schärferen Wettbewerb lieferten. „Das müssen wir abwarten.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Die Wahrheit
Glückliches Jahr