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Kampf um LützerathNicht die letzte Schlacht

Die Klimabewegung geht geeint und gestärkt aus der Räumung. Wichtig, denn solange der Kapitalismus existiert, muss Klimaschutz mühsam erkämpft werden.

Zurück bleiben nicht nur Trümmer: Überbleibsel der Räumung Foto: dpa

L ützerath ist geräumt – am Montag verließen die letzten beiden Ak­ti­vis­t:in­nen freiwillig das Dorf. „Pinky und Brain“, so ihre Decknamen, hatten sich tagelang in einem selbstgebauten Tunnelsystem versteckt, aus dem sie trotz größter Anstrengungen von Polizei und RWE nicht geräumt werden konnten. Über der Oberfläche haben RWEs Bagger den Ort fast komplett dem Erdboden gleichgemacht.

Auch wenn die Räumung deutlich schneller und brutaler voranschritt als zunächst erwartet, zeigte die Großdemonstration am Samstag, dass Lützerath den Kampfgeist der Klimabewegung neu entfacht hat. Nicht nur wegen der hohen Beteiligung von 35.000 Menschen, sondern vor allem der Entschlossenheit, mit der die De­mons­tran­t:in­nen trotz Matsch und Regen Polizeiketten durchbrachen, um zum belagerten Dorf zu gelangen.

Der Kampf um Lützerath hat Ak­ti­vis­t:in­nen aus unterschiedlichsten Kontexten und Aktionsformen vereint: bürgerlich-christliche Aktivist:innen, wie etwa „Die Kirchen im Dorf lassen“ leisteten gemeinsam mit Öko-Anarchist:innen zivilen Ungehorsam. Auch zahlreiche Antifa-Gruppen reisten zur Demo am Samstag an. In vielen Städten gab es zudem ungehorsame Solidaritätsaktionen wie die Besetzung von Robert Habecks Wahlkreisbüro in Flensburg.

Noch wichtiger ist, dass man den Grünen ihre als „Kompromiss“ getarnte Politik, die allein der Wunscherfüllung des fossilen Kapitals dient, nicht durchgehen lassen hat. Eine kritische Masse hat die Ernsthaftigkeit der Klimakrise erkannt und lässt sich nicht von leeren Versprechungen, wie einem vorgezogenen Kohleausstieg abspeisen, während in der Gegenwart immer noch keine ernstzunehmenden Maßnahmen ergriffen werden, um CO2-Ausstoß oder die Zerstörung von artenreichen Lebensräumen zu verringern.

Grüner Kapitalismus ist keine Zukunft

Der „Grüne Kapitalismus“ für den die Grünen stehen, kann nicht funktionieren, auch das zeigt Lützerath. Denn die Frage, ob man angesichts der Klima- und Energiekrise nicht einfach den Energieverbrauch hätte reduzieren können, anstatt noch mehr klimaschädliche Kohle abzubaggern, wurde zu keinem Punkt ernsthaft diskutiert – denn das könnte ja das Wirtschaftswachstum gefährden.

Wie geht es nun weiter? Im medialen Schatten von Lützerath gibt es noch eingige weitere Waldbesetzungen in Deutschland. Zum Beispiel der „Heibo“ in der Nähe von Dresden. Dort versuchen Ak­ti­vis­t:in­nen die Heidebogen genannte artenreiche Naturlandschaft vor der Zerstörung durch ein Kieswerk zu verhindern. Der Kies wird benötigt, um den kapitalgetriebenen Bauboom in den Städten zu ermöglichen.

Ab 23. Januar soll die Besetzung geräumt werden. Genug Zeit also noch, um den Ak­ti­vis­t:in­nen einen Besuch abzustatten. Am Mittwoch gibt es dazu einen Infoabend in der Keimzelle. Neben einem Vortrag zur aktuellen Situation im Wald wird es auch Verpflegung in Form einer Küche für Alle geben (Mittwoch, 18. Januar, 19 Uhr, Rigaer Straße 94, An der Tür klopfen).

Wenige Tage später veranstalten die Be­set­ze­r:in­nen ein Skillshare-Wochenende im Wald. Dort kann man lernen, wie man sicher klettert, Baumhäuser besetzt und Barrikaden baut, oder sonst noch bei der Räumung hilfreich sein kann (Freitag, 20. Januar bis Sonntag, 22. Januar, Details zur Anreise auf der Website).

Großdemo für Agrarwende

Ebenso dringend benötigt wie die Energie, Verkehrs- und Bauwende wird auch die Agrarwende. Industrielle Tierhaltung und Landwirtschaft stößt Unmengen an CO2 aus und trägt zur Zerstörung zahlreicher Ökosysteme in Deutschland und im globalen Süden bei. Das „Wir haben es satt“ – Bündnis setzt sich seit Jahren für eine ökologisch gerechte Landwirtschaft ein. Hingucker auf der Großdemo am Samstag werden wieder die zahlreichen Öko-Landwirt:innen sein, die sich mitsamt Trecker auf den Weg nach Berlin machen, um durch das Regierungsviertel zu fahren (Samstag, 21. Januar, 12 Uhr, Brandenburger Tor).

Als Warm-Up wird es am Vorabend auch wieder eine „Schnippel-Disko“ im Festsaal Kreuzberg geben, bei der gemeinsam gerettetes Gemüse zur Demoverpflegung verarbeitet wird. Nebenbei werden Vorträge gehalten, im Anschluss gibt es tanzbare elektronische Musik (Freitag, 20. Januar, 18 Uhr, Am Flutgraben 2).

Unterdessen hat leider auch der Rest der Welt nicht aufgehört, ein ungerechter Misthaufen zu sein. Russland führt seinen Angriffskrieg auf die Ukraine trotz horrender Verluste mit gnadenloser Brutalität fort. Faschismus und imperialistische Ambitionen gehen bei diesem Krieg Hand in Hand. Seit Kriegsbeginn werden die demokratische Oppisition und marginalisierte Gruppen härter unterdrückt denn je, während organisierte Rechtsextremist:innen, wie in etwa in der Söldnergruppe Wagner, immer mehr an Einfluss gewinnen.

Diese Dynamik ist in Russland nicht neu. Bereits 2009 wurden der regimekritische Aktivist Stanislaw Markelow und die linke Journalistin Anastasia Baburova von Neonazis ermordet. Zum Todestag der beiden findet am Donnerstag eine antifaschistische Demonstration zur russischen Botschaft statt (Donnerstag, 19. Januar, 18 Uhr, Friedrichstraße 176–179).

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Jonas Wahmkow
Redakteur für Arbeit und Soziales im Berlin Ressort.
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12 Kommentare

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  • Soweit ich mich erinnere , waren die Grünen eigentlich schon immer eine Kapitalismusreformpartei und die Antikapitalisten in der Minderheit.Und selbst die meisten Reformforderungen(Geschwindigkeitsbegrenzung bspw.) waren/sind für den Großteil der Wähler eher abschreckend.



    Die angeblich "kritische Masse" welche die Ernsthaftigkeit der Klimakrise erkannt hat , besteht tatsächlich wie immer aus der Minderheit der "üblichen Verdächtigen" deren Blick über den gesellschaftlichen Tellerrand hinausreicht. Von denen auch nicht alle Antikapitalisten sind.



    Das bisher einzige jemals existierende größere Gegenmodell ist krachend gescheitert und war auch zu seinen Lebzeiten im Vergleich nicht sehr attraktiv.Der Kapitalismus hingegen ist ein zäher Hund und wird wohl solange es Menschen gibt weiterexistieren.Auch wenn dann schon mal einige Millionen /Milliarden über die Klinge springen werden. :-(

    • @Mustardmaster:

      Nun ja, das Gegenmodell war nicht auf Umwelt- und Klimaschutz angelegt, sondern als aufholende / überholende Entwicklung bei Produktion und Konsumtion. Zudem waren die Staaten des Gegenmodells ja trotz alledem Teil der Peripherie des globalen Kapitalismus, da sie den kapitalisitschen Kernstaaten bspw. Rohstoffe lieferten aber auch als Nachfrager aufgetreten sind.



      Ein Gegenmodell, das sich in einer nicht auflösbaren Abhängigkeit zu den kapitalistischen Kernstaaten befindet und einer identisch naturzerstörischen Logik folgt und dann noch die ArbeiterInnen wohl nicht weniger ausbeutet wie im Kapitalismus ... Es fällt mir schwer, das als ein ernsthaftes Gegenmodell zu betrachten, geschweige denn, darin das Scheitern eines Gegenmodells zu erkennen. Im Grunde war es ökonomischer Bankrott, weil das nationalstaatliche Geschäftsmodell nicht funktioniert hat.

  • @1-STEIN, @FAVIER

    Sehe ich genauso. E-Autos machen nur Sinn, wenn's gleichzeitig deutlich weniger sind. Erst stilllegen, dann, wenn's nicht anders geht, elektrifizieren.

  • 6G
    666757 (Profil gelöscht)

    “Solange Kapitalismus existiert, gibt es keinen Klimaschutz”, besser formuliert!

    Ob die Autorin schonmal was von Emissionsschutzzertifikaten gehört hat, mit denen sich viele europäische Industrien fast kostenlos eingedeckt haben, u.a. auch RWE !?

    Na dann ist ja alles bestens …

  • @ARGIE

    Wenn das so ist... warum haben wir kein Tempolimit? Warum sind die Städte randvoll mit überdimensionierten Autos?

    Energieverbrauch reduzieren... nur wenn's mich nicht nervt.

    Wir brauchen einen systematischen, flächendeckenden Ansatz, der auf die Schwächsten Rücksicht nimmt.

    Aber da sei der blechhörige Deutsche Gartenzwerg vor...

    Medien und Politik haben in erster Linie Angst vor Veränderung geschürt.

    • 6G
      666757 (Profil gelöscht)
      @tomás zerolo:

      Alles Makulatur! Die Politik lernt nichts dazu, außer Grüne, die sich schwarz angemalt haben — mit rotem Heiligenschein!



      Ie Schrottblechproduktion drastisch-ausufernder Karossen, die keiner auf Deutschlands Straßen braucht, geht weiter und Deutsche sind so dumm und kaufen diesen Mist auch noch..



      E-Autos sind keine umweltverträgliche Alternative!



      Fragen sie bitte mal Herrn Gumpert:

      youtu.be/5VFOR0f9kVI

      Das sagt doch wohl alles!

    • @tomás zerolo:

      Man muss noch nicht einmal den Kapitalismus als solchen kritisieren, um die Absurdität der deutschen Politik zu begreifen: MobilitätsforscherInnen sind sehr eindeutig in ihren Aussagen: im Grunde sind die Klimaziele rund um Mobilität nur erreichbar, wenn so rund jedes zweite Auto in Dtl. unwiderruflich stillgelegt wird. statt 45 Mio zugelassenen Autos auf unter 25 Mio. Stattdessen subventionieren den Kauf von E-Autos, bis in ein paar Jahren sollen es 10 Mio sein. Aber ein Plan, dass es dann nur noch 15 Mio Benziner auf deutschen Straßen geben darf, existiert nicht. Bedeutet, ohne das es ausgesprochen wird: langfristiges Ziel des grünen Kapitalismus: mindestens so viele E-Autos wie heute schon auf den Strßen sind: Das nennt sich grünes Wachstum. (Inklusive der Zerstörung des Planeten zur Gewinnung entsprechender Rohstoffe irgendwo auf der Welt.)

  • > Denn die Frage, ob man angesichts der Klima- und Energiekrise nicht einfach den Energieverbrauch hätte reduzieren können, anstatt noch mehr klimaschädliche Kohle abzubaggern, wurde zu keinem Punkt ernsthaft diskutiert

    Hm. War nicht genau _das_ (Energieverbrauch reduzieren) das absolut dominierende Hauptthema der letzten 6 Monate in Medien und Politik in Deutschland?

    • @argie:

      Aber nur, um eine temporäre Knappheit zu beheben. Ein Plan zur generellen Reduktion des Energieverbrauchs industrialisierter Gesellschaften liegt weder vor noch wird er irgendwo diskutiert. Die ökonomischen Prognosen sehen einen weiterhin wachsenden Energiebedarf. Womit klar wird: die Energiewende wird, weder im globalen noch im nationalen Maßstab, schnell genug ausreichend regenerative Energien zur Verfügung stellen, um diesen wachsenden Bedarf zu befriedigen. Die Erschließung weiterer Gas- und Ölfelder, Kohlegruben ist damit diesem Wachstumspfad inhärent. Die Auslandsreisen von Habeck und Scholz zu den Scheichs und Gasfeldern in Afrika und anderswo erklären sich damit nur zu einem Teil aus der Notwendigkeit, russische Bezugsquellen zu ersetzen. Sie folgen einer Diversifikationsstrategie und sichern zugleich billige Energie für den nationalen wachsenden Bedarf. (E-Autos, Wärmepumpen, blauer Wasserstoff, Bitcoins, Serverfarmen und wo der wachsende Strombedarf sonst noch entsteht.)



      Entscheidend aber im globalen Kampf nationaler Kapitalismen ist die Verfügbarkeit billiger Energie. Weswegen der grüne Kapitalismus bereits ein Widerspruch in sich ist.

  • Naja, "kapitalgetriebener Bauboom" finde ich schwach. Auch Sozialwohnungsbau und Genossenschaftswohnungen brauchen Kies.

    • 6G
      659554 (Profil gelöscht)
      @Der Knuenz:

      Die einzige Partei, die bei der letzten Bundestagswahl keine Märchen vom grünen Kapitalismus erzählt hat, bekam mit 4,9% fast um die Hälfte weniger Stimmen als 2017.

    • 6G
      659554 (Profil gelöscht)
      @Der Knuenz:

      Aber deretwegen gibt es keinen Bauboom.