Kampf um Entlastungstarifvertrag: Streikwoche startet mit Gegenwind
Erzieher:innen geben sich zu Beginn des fünftägigen Ausstands entschlossen. Der Senat blockiert weiter, Arbeitgeber starten eine Elternpetition.

Die Botschaft auf der Auftaktveranstaltung zum einwöchigen Warnstreik in den Kita-Eigenbetrieben des Landes ist klar: Die Kita-Krise ist akut, wenn die Politik jetzt nicht handelt, werden viele Erzieher:innen dem Beruf den Rücken kehren und den bestehenden Personalmangel noch weiter verschärfen. Argumente wie von Finanzsenator Stefan Evers (CDU), man möge doch bis zu den nächsten Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst 2026 warten, rufen hier nur Unverständnis hervor.
Seit Monaten versucht die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, den Senat zu Verhandlungen über einen „Tarifvertrag pädagogische Qualität und Entlastung“ zu bewegen. Der soll durch einen verbesserten Personalschlüssel die Arbeitsbedingungen in den Kindertagesstätten attraktiver machen.
Geschäftsleitung fällt Beschäftigten in den Rücken
Doch statt auf Verhandlungsbereitschaft stößt die Gewerkschaft zunehmend auf Widerstand, nicht nur aus der Politik. Am Freitag starteten die Leitungen von vier der fünf Eigenbetriebe des Landes eine Petition, in der sie Verdi zu einer sofortigen Beendigung des Streiks auffordern. Bis Redaktionsschluss hatte die Petition rund 2.000 Unterschriften. Ähnlich sieht es beim Landeselternausschuss aus, der sich bereits Anfang Juni von den Streiks distanzierte.
„Es ist absolut schäbig, wenn die Interessen der Eltern und der Kitabeschäftigten gegeneinander ausgespielt werden“, kritisiert der Linken-Abgeordnete Niklas Schenker auf der Streikkundgebung.
Auf welcher Seite die Geschäftsleitungen der landeseigenen Kitas stehen, deutete sich bereits in der Sitzung des Bildungs- und Jugendausschusses vor knapp zwei Wochen an. Claudia Freistühler, Geschäftsleiterin des Eigenbetriebs Kindergärten City, behauptete dort, dass es so etwas wie eine „Kita-Krise“ überhaupt nicht gebe. „Wir haben so viel Personal pro Kind wie noch nie“, sagte sie. Teilweise gebe es sogar einen Überhang an Personal.
Einen Punkt, den Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch dankbar aufnahm. Alles halb so wild, Handlungsbedarf in Form eines Entlastungstarifvertrags gebe es nicht, so ihre Botschaft an die anwesenden Gewerkschaftsvertreter:innen.
Auch Eltern solidarisieren sich
„Das Bild des zerstörten Kita-Systems wird auch nicht dazu beitragen, dass wir junge Kolleg:innen für den Beruf gewinnen“, kritisierte ihrerseits die CDU-Politikerin. Laut einer Studie der Bertelsmann-Stifung fehlen in Berlin 20.000 Kita-Plätze, um eine kindgerechte Betreuung zu gewährleisten.
„Die haben keine Ahnung, wovon sie sprechen“, kommentiert Anja Krause, die in einer Brennpunkt-Kita beim Eigenbetrieb Südwest arbeitet, auf der Kundgebung. „Ich würde die Senatorin gerne dazu einladen, zwei Wochen bei uns zu hospitieren.“ Das Mindeste sei, dass sich der Senat zu Gesprächen bereit erkläre, um nach Lösungen zu suchen, findet die Erzieherin. Alles andere sei „respektlos gegenüber den Mitarbeitenden in den Kitas“.
In der Elternschaft gibt es neben Kritik auch Verständnis für die Streiks. „Es ist natürlich eine Belastung, aber am Ende ist es mir egal, warum die Kita zuhat“, sagt Mascha Krüger, alleinerziehende Mutter und Mitglied der Initiative Einhorn sucht Bildung, die Verdi unterstützt.
Durch den Personalmangel und hohe Krankenstände habe die Kita ihres Sohns ohnehin ständig geschlossen. Daher brauche es langfristige Verbesserungen. „Wir unterstützen die Streiks umso mehr.“
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Leak zu Zwei-Klassen-Struktur beim BSW
Sahras Knechte
Nach Hitlergruß von Trump-Berater Bannon
Rechtspopulist Bardella sagt Rede ab
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Wahlentscheidung
Mit dem Wahl-O-Mat auf Weltrettung