Kampf um Anerkennung von Intersexualität: Kein drittes Geschlecht

Vanja findet, er*sie sei weder weiblich noch männlich – und zieht durch alle gerichtlichen Instanzen, um sich im Ausweis „inter/divers“ eintragen zu lassen.

Zieht nun für ihren*seinen Kampf für die „Dritte Option“ vor das Bundesverfassungsgericht: Vanja. Foto: Peter Steffen/dpa

Hamburg taz | Im Kampf für eine dritte Option jenseits der Geschlechtseinträge „männlich oder weiblich“ ist Vanja vor dem Bundesgerichtshof (BGH) gescheitert. Vanja kämpft seit Juli 2014 dafür, seinen*ihren Eintrag im Geburtenregister von „weiblich“ auf „inter/divers“ zu ändern. Eine Gruppe von Unterstützer*innen begleitet das Vorgehen mit der Kampagne „Dritte Option“. Angefangen haben sie den Weg durch die gerichtlichen Instanzen vor dem Standesamt Gehrden bei Hannover. Nachdem nun der Bundesgerichtshof die Klage zurückwies, kündigten Vanja und die „Dritte Option“ an, am 2. September eine Verfassungsbeschwerde einzureichen.

Vanja hatte zur Begründung des Antrags eine Chromosomenanalyse vorgelegt – er*sie sei weder Mann noch Frau, schrieb Vanja in dem Antrag. Bei der Geburt 1989 hatten Vanjas Eltern ihn*sie als Mädchen eintragen lassen. „Ich bin jedoch keine Frau“, teilte Vanja dem Standesamt mit, das in Sachen Personenstandsrecht zuständig ist. „Aber auch eine Änderung des Eintrags, dass ich ein Mann bin, würde nicht der Wahrheit entsprechen. Einzig ein alternativer Eintrag würde den Tatsachen entsprechen.“

Das Standesamt sah sich nicht in der Lage, darüber zu entscheiden, und gab den Fall an das Amtsgericht Celle. Dies entschied, dass eine dritte Option nach geltendem Recht nicht möglich ist. Ebenso urteilte das Oberlandesgericht in Hannover und nun auch der Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Höchstens das Aussparen des Geschlechtsantrags komme infrage: Seit November 2013 können Eltern den Geschlechtseintrag des Kindes leer lassen, wenn das Geschlecht nach der Geburt nicht eindeutig zuzuordnen ist – dies ist auch rückwirkend möglich.

Mit diesem Zugeständnis erkennt der Gesetzgeber an, dass es Menschen gibt, die sich keinem der beiden Geschlechter zuordnen können oder wollen – das bestätigte auch der Bundesgerichtshof in der Begründung des Urteils. Dort steht, dass es die Menschenwürde in Verbindung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht gebiete, die selbst empfundene Geschlechtsidentität jedes Menschen anzuerkennen und ihm damit zu ermöglichen, „entsprechend seines empfundenen Geschlechts leben zu können“.

Geschlechtseinträge, die von der Norm männlich oder weiblich abweichen, sind in anderen Ländern bereits möglich:

Australien, Neuseeland, Indien, Pakistan, Bangladesh und Nepal akzeptieren neben den Einträgen „f“ für „female“ oder „m“ für „male“ auch „x“ für „indeterminate/unspecified/intersex“ oder „o“ für „other“.

Eine fortschrittliche Gesetzgebung in puncto Gender hat Argentinien, wo Erwachsene seit 2012 ihren Vornamen, ihr Geschlecht und ihr Foto im Ausweis ändern können. Dafür sind keinerlei medizinische oder psychologische Gutachten nötig. Eine dritte Option ist dort jedoch nicht vorgesehen.

Allerdings, so sieht es die „Dritte Option“, seien damit nur die Menschenwürde und das Persönlichkeitsrecht von Transsexuellen gewahrt – nicht das von Intersexuellen. Das will der BGH aber auch gar nicht: „Wie sich den Gesetzgebungsmaterialien entnehmen lässt, entspräche die Schaffung eines weiteren Geschlechts auch nicht dem Willen des Gesetzgebers“, steht in der Begründung. Denn: „Anders als bei der Zuordnung zu einem schon bestehenden Geschlecht wären durch die Schaffung eines weiteren Geschlechts staatliche Ordnungsinteressen in weitaus erheblicherem Umfang betroffen.“

Welche staatlichen Ordnungsinteressen gemeint sind, führt der BGH nicht aus. Auch Pressesprecherin Yvonne Ott kan nur mutmaßen, wie das gemeint ist: Man könne die Regel ja nicht ausschließlich im Personenstandsrecht ändern – schließlich sei das gesamte Rechtssystem auf eine binäre Geschlechterordnung ausgerichtet. Man müsste dann alle Bereiche ändern. Kurz gesagt: „Man kann nicht im Personenstandsrecht die Welt verändern.“

Scheitert die gesetzliche Gleichstellung von Intersexuellen also daran, dass sie der Legislative und der Judikative zu viel Arbeit bescheren würde? Das wird wohl das Verfassungsgericht entscheiden müssen. Die Begründung kommt Moritz Schmidt verständlicherweise schwach vor. Außerdem, sagt er, bestehe die Notwendigkeit, die Gesetze zu überarbeiten ja ohnehin wegen der Möglichkeit, den Geschlechtseintrag leer zu lassen. „Was passiert, wenn eine Person ohne Geschlechtseintrag heiraten will? Oder Kinder adoptieren?“ Auch deshalb rechnet er sich gute Chancen aus, dass Vanja vor dem Verfassungsgericht Recht bekommt. Ohnehin seien sie nicht davon ausgegangen, bei einer früheren Instanz erfolgreich zu sein.

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