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Kampf gegen den HungerWeizen und Mais für die Menschen

Er­näh­rungs­ex­per­ten fordern, die Schweinemast in der EU sofort zu halbieren. Der reduzierte Futterverbrauch soll den Getreidepreis senken.

Laut den Ex­per­t:in­nen wird ein Drittel der weltweit verfügbaren Kalorien an Nutztiere verfüttert Foto: Imago

Berlin taz | Weltweit leiden 345 Millionen Menschen akut an Hunger. Das sind 69 Millionen mehr als vor dem Ukraine-Krieg, rechnet Martin Frick, Direktor des UN-Welternährungsprogramms für Deutschland, vor. Der Rückgang der Weizenlieferungen aus der Ukraine hat die Getreidepreise hochgetrieben und die Hungerkrise verschärft.

Vor diesem Hintergrund forderte Frick am Donnerstag Maßnahmen, um die Handelspreise von Weizen und anderem Korn zu senken und das europäische Agrarsystem langfristig umzustellen. Unterstützt wird er von Fachleuten für Ernährung und Landwirtschaft von der Hilfsorganisation Misereor, dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin.

Als kurzfristigen Schritt begrüßt Frick die von der Ampelkoalition im jüngsten Entlastungspaket angekündigte Bereitstellung von „bis zu einer Milliarde Euro“ zur Bekämpfung von Hunger aus „möglichen Haushaltsresten des Jahres 2022“.

Das sieht der Agrarexperte Felix zu Löwenstein von Misereor ähnlich, stellt aber klar: Die wichtigste Stellschraube im Kampf gegen Hunger sei der Getreidepreis. Da der nicht durch mehr Produktion gesenkt werden könne, müsse der Konsum verringert werden, erklärte er der taz.

Man müsse die Schweinemast sofort halbieren, um den Futtermittelkonsum in drei Monaten stark zu reduzieren. Die Betriebe sollen entschädigt werden. Der Deutsche Bauernverband reagierte mit Ablehnung auf den Vorschlag.

80 Prozent der Agrarflächen für Tierprodukte

Laut den Ex­per­t:in­nen wird ein Drittel der weltweit verfügbaren Kalorien an Nutztiere verfüttert. Global werden etwa 80 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen für die Herstellung von tierischen Lebensmitteln genutzt.

Deshalb müsse es auch langfristig eine Umorientierung in der Ernährungs- und Agrarpolitik geben: hin zu mehr pflanzlicher Ernährung sowie eine Reduktion der Tierbestände. Damit könne auch den fatalen Umweltfolgen der CO2-intensiven Fleischproduktion und der wachsenden Fehlernährung angesichts des hohen Fleisch- und Milchkonsums entgegenwirkt werden, sind sich die Fachleute einig.

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7 Kommentare

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  • Ich sag nur schweinemord von 1915 alles schon mal dagewesen. de.m.wikipedia.org/wiki/Schweinemord



    Wie haben heute sicher bessere Methoden zur Konvertierung allerdings meistens auch sehr energieintensiv und das mit dem fehlen des Düngers im Folgejahr sollten wir bei unseren stillgelegten Kunstdünger Werken momentan auch nicht unterschätzen



    Aber ich bin auch dafür dass Lebensmittel deutlich teurer werden und die Menschen wieder weit über 50% ihres verfügbaren Einkommens für Lebensmittel ausgeben aber keine Sorge das auch nur aus reinem eigenen Nutzen

  • Für eine gesuunde Ernährung werden Eiweiß. Kohlehydrate, Ballast- und Mineralstoffe in der richtigen Kombination benötigt. Von daher läßt sich Fleisch (Eiweiß) nicht einfach durch Weizen oder Mais (Kohlehydrate) ersetzen, Pflanzliches Eiweiß gibt es vorweigend in Hülsenfrüchten unsd Soja, was aber nicht überall angebaut werden kann. Hinzu kommt, dass z.B. Schweine auch Pflanzen die für den menschlichen Verzeht ungeeignet sind oder Nahrungsmittelreste fressen und daraus dann essbares Eiweuß entsteht. Rinder fressen Gras usw das auf sonst nicht nutzbaren Flächen wächst. Futtermais und Weizen haben höhere Erträge als ´normaler´Weizen oder Mais.



    Mit anderen Worten, das ist alles nicht so einfach wie es sich anscheinend viele Leute wünschen. Ich frage mich allerdings warum z.B. die getrockneten Hülsenfrüchte wie Linsen als Eiweißquellen und damit Fleischersatz nicht viel stärker beworben werden, die große community der Fitness - und Muckibuden wäre hier ein echtes Zielpublikum.

  • Solange Schweinefleisch so viel gegessen wird, wie es denn gegessen wird, bringt eine Halbierung der Produktion in der EU überhaupt nichts. Bolsonaro in Brasilien würde sich freuen..

  • 3G
    31841 (Profil gelöscht)

    Dazu ein Wort zum Sonntag:



    Vor mehr als 40 Jahren wurden Forderungen, diese Schritte einzuleiten, damit die notwendigen Veränderungen ohne zu große Brüche machbar gewesen wären, mit dem Verweis abgelehnt, dass dies zu große Veränderungen wären, als dass sie sicher genug sein könnten, damit sich Landwirte darauf ökonomisch einlassen könnten. Tatsächlich wurden jedoch die Wertschöpfungsnetze der Agrarindustrie (hauptsächlich tierische Nahrungsmittel, Maschinen, Chemie, Handel, Transport ...) damit gefüllt. Immer mit dem Verweis darauf, dass Nahrungsmittel billig sein müssten, und daher Rationalisierung der Produktionsketten ( eigentlich Renditeoptimierung am Ende der Wertschöpfungskette) vordringlich sei. Die dafür eingesetzte Subventionspolitik wurde zum Hebel der Agrarindustrie. Und jetzt ex und hopp - weg von den Fleischtöpfen der Industriepharaonen durch die Wüste in die heilige Bio-Landwirtschaft ;-). Dass der Weg dahin durch die Wüste führt, liegt an der Weigerung der Pharaonen, sich der Verantwortung für die Folgen - die Plagen - ihreres Raubbausystems der Bereicherung zu stellen. Die Heiligkeit der von ihren Priestern (Beratung ...) beanspruchten höheren wissenschaftlichen Anschauung und damit ihre eigene Gottgewolltheit würden in Frage gestellt. Das Volk könnte ihren Fleischtopfgeschäften abtrünnig werden.

  • Diese Forderung ist für die Landwirte, denen Beratung und Bauernverband Jahrzehnte etwas ganz anderes erzählt haben, verstörend. Und ich habe nach dem Lesen des Artikels noch keine Ahnung wie das bewerkstelligt werden kann und was es kostet.

    Aber genau solche Riesenschritte sind meiner Meinung nach notwendig, wenn wir eine enkeltaugliche Gesellschaft entwickeln wollen. Allerdings müssen andere Bereiche folgen und das in ähnlich radikaler Weise.

    Nur wird es zwischen dieser radikalen nationalen Idee und dem globalen agieren der für das Klima wichtigsten Nationen wahrscheinlich eine Kluft geben, die zu Verzerrungen vom Feinsten führt....

    • @Heiner Petersen:

      Wie kommen sie darauf, dass das eine radikale nationale Idee ist?



      Das ist längst eine transnationale Bewegung.

      Die an den Haaren herbei gezogenen Gegenargumente im Artikel zeugen einmal mehr von kapitalistischer Tierhaltungs- Verwertungsabhängigkeit, als von distanzierter Logik. So einfach zu durchschauen...

      Wenn auch und da gebe ich ihnen beim Rest Recht, es wird zu 'Verzerrungen' auf Grund von Radikalität führen und das muss es auch.

      Was es kostet ist ziemlich egal...es kostet uns unendlich mehr, wenn wir es nicht tun...



      Darüber sprechen, selbst ausprobieren, wenn möglich bio- vegan konsumieren, entsprechende Projekte supporten bzw dort mitarbeiten... Kleine Inspiration, wie das gehen soll ;-)

  • "Weizen und Mais für die Menschen"



    Na, da bin ich ja mal gespannt was "die Menschen" sagen werden, wenn sie Silomais [1] essen sollen.



    [1] de.wikipedia.org/wiki/Silomais