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Kampf gegen Wohnheim-VerkaufStudenten wollen WGs erhalten

In Oldenburg kämpfen Bewohner eines Studentenwohnheims gegen den Verkauf des Gebäudes. Sie wollen weiter günstig und selbstorganisiert zusammenleben.

Gemütlicher und billiger als Einzel-Appartements: Studenten-WG. Bild: dpa

OLDENBURG taz | Noch führt die Internetseite des Studentenwerks Oldenburg (SWO) das Wohnheim an der Alteneschstraße 13 und 15, sein kleinstes, auf. Noch. Denn die ersten Kaufinteressenten haben sich die beiden rund 120 Jahre alten ehemaligen Schulgebäude bereits angesehen. Bei einem Verkauf würden die vier Wohngemeinschaften wohl aufgelöst werden. Doch ihre 24 BewohnerInnen wehren sich.

Überraschend ist das nicht. Die Altenesch-WGs waren schon immer speziell. Nicht lange nachdem das SWO in den 1980ern mit Landesmitteln die Gebäude erwarb und die Klassenzimmer zu Wohnungen umbaute, machten die BewohnerInnen ihrem Vermieter klar, dass sie sich entgegen der SWO-Praxis künftig selbst ihre NachmieterInnen aussuchen werden. Bis heute ist das so.

Und trotz mehrfachem Wechsel in der Belegschaft der beiden denkmalgeschützten Häuser hat sich an ihrem Selbstbewusstsein nichts geändert. Das sei eine Gruppe, die sich schon immer aktiv eingesetzt hätte, auch für ihre Interessen, sagt Studentenwerk-Geschäftsführer Ted Thurner.

Auf Thurner sind sie sauer in den Altenesch-Häusern, fühlen sich überrumpelt von Baubegehung und KaufinteressentInnen-Besichtigung. „Wir wollen hier wohnen!“, stellen sie in einer von fast 1.000 Personen unterzeichneten und dem SWO-Vorstand übergebenen Unterschriftenliste fest. Sie wollen nicht auf Selbstorganisation, gewachsene Gemeinschaft, Garten und die günstige Warmmiete von rund 180 Euro verzichten. Billiger lässt sich in Oldenburgs unter Druck geratenem Wohnungsmarkt fast nichts mehr mieten.

Doch mit dieser Miete ließen sich die 30 Jahre nach Erwerb erforderlichen baulichen und energetischen Sanierungen für 490.000 Euro nicht finanzieren, sagt Thurner. Bewohnerin Julia (29) sagt: „Die haben 30 Jahre von uns jeden Monat Geld genommen und nie was gemacht.“ Die genannte Sanierungssumme sei viel zu hoch angesetzt. Ohnehin sei es die Aufgabe des SWO, für günstigen Wohnraum zu sorgen.

Für den Fall eines Verkaufs sichert Thurner den WGs ein letztes Jahr zu alten Konditionen zu, zudem Plätze in einer der anderen Wohnanlagen. 1.400 StudentInnen können dort wohnen – allein in Oldenburg. „Aber“, sagt Julia, das würde den BewohnerInnen ohnehin über das Mietrecht zustehen.

Und: „Wir wollen nicht in einem anonymen Wohnheim leben“, auch nicht in den Einzel-Appartements mit Küchenzeile und Einbauschrank für rund 350 Euro, auf die sich das SWO bei Bauvorhaben vermehrt konzentriert. Studierende leben heutzutage lieber alleine, sagt Thurner: „Je straffer das Studium organisiert ist, desto mehr Attraktivität verliert die WG als studentische Wohnform.“

Er finde die Haltung der BewohnerInnen zwar nachvollziehbar, aber als Anstalt öffentlichen Rechts müsse das SWO wirtschaftlich arbeiten. Eine Verdopplung oder Verdreifachung der Miete, um die Investitionen wieder hereinzuholen, sei „nicht darstellbar“, auf die öffentliche Hand zu hoffen unrealistisch.

Teuer für alle Studierenden würde eine mögliche Erhöhung der Semesterbeiträge sein, um die Altenesch-Häuser sowie wohl zwei, drei andere ebenfalls in die Jahre gekommenen Wohnheime zu retten. Wie in Braunschweig, wo das Studentenwerk Ost-Niedersachsen 2014 die Beiträge für Bausanierungen um 35 auf 94 Euro anhob. In Oldenburg zahlen die Studierenden derzeit 68 Euro. Diesen Sommer will das SWO eine Entscheidung fällen.

Geräuschlos, ist sich Julia sicher, werde eine Räumung nicht über die Bühne gehen. Die ersten Transparente hängen, einige NachbarInnen haben sich schon solidarisiert, auch die vielen ehemaligen BewohnerInnen. „Wir sind lieb und nett – aber nur bis zu einem gewissen Grad.“

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