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Kampf gegen Rechtsextremismus in BerlinVorortidylle, AfD und Bürgerprotest

In Blankenburg steht das „Braune Haus“. Vielen im Nordosten Berlins ist es ein Dorn im Auge. Auch Michaele Fuchs, die dort jeden Sonntag demonstriert.

Stabil: Blankenburgs „Netzwerk für Respekt, Toleranz und Vielfalt“ Foto: Christian Kruppa

BERLIN taz | Das „Braune Haus“ ist eigentlich gelb. Michaele Fuchs nennt es bloß so, weil es das Bürgerbüro der AfD Pankow ist. Die Rollladen sind runtergelassen, der Pavillon vor dem Eingang angeschmort, Plastik hängt in Fetzen herunter. Bis vor wenigen Tagen lag daneben noch das Wrack eines verkohlten Autos, wahrscheinlich Brandstiftung. Gegenüber steht die Dorfkirche, schon seit dem 13. Jahrhundert steht sie dort, im 20-Minuten-Takt hält ein Bus davor.

„Nach der Europawahl hätten wir heulen können“

Michaele Fuchs

Jeden Sonntag blickt die Grundschullehrerin Michaele Fuchs hier am Blankenburger Dorfanger auf die gelbe Fassade, hinter deren Glastür sich nichts rührt. Fuchs hat eigentlich einen anderen Namen, den sie hier nicht nennen möchte.

Mit dem „Netzwerk für Respekt, Toleranz und Vielfalt Blankenburg“ will sie die Nachbarschaft zusammenbringen, heute kommen etwa zwei Dutzend Menschen. „Unser Dorf bleibt hell und bunt“, heißt es auf ihrem Banner. Zu Beginn des Jahres gingen Hunderttausende gegen Rechtsextremismus auf die Straße. Wer sind die Menschen, die dort immer noch stehen?

Aufgeben ist keine Option

Michaele Fuchs trägt ein blaues Kleid und eine passende Spange im weißen Haar, als wollte sie der AfD nicht nur den Platz am Dorfanger, sondern auch ihre Farbe nehmen. Sie ist in Osnabrück aufgewachsen, katholische Familie, ihr Vater bei der CDU. Nach der Kirche ging es immer zum Frühschoppen – Alkohol am Vormittag, übersetzt sie, während sie auf ihrer Terrasse sitzt, noch bevor sie loszieht zum Bürgerbüro.

„Es wurde geraucht, getrunken, und über Politik geredet, für die Kinder gab es Salzstangen“, erinnert sie sich. Politik langweilte das Mädchen. Später trug sie selbst gebatikte Malerhosen und Birkenstocksandalen, die damals noch etwas bedeuteten, doch Schienen hat sie nie blockiert. Mutig fand sie das, sich selbst nicht.

Heute sagt sie: Werfe ihr jemand einen Stein durchs Fenster, mache sie erst recht weiter. Weiter damit, Wimpel zu basteln, Liedtexte zu kopieren und sonntags vor dem „Braunen Haus“ aufzukreuzen. Obwohl Fuchs dachte, mit 57 sei sie „raus aus dem Demoalter“. Die Signal-Gruppe des Netzwerks Blankenburg sei kaum je still, „tonk, tonk, tonk“ macht Fuchs das Geräusch der eintreffenden Nachrichten nach.

Politisches Engagement neben dem Grundschulunterricht, neben den Kindern und Enkeln in ihrem Leben, das sei viel. Ob sie irgendwas dazu bringen würde, aufzugeben? Sie schweigt lange, überlegt. Und sagt: „Dafür ist es jetzt zu spät.“

Vermieter selbst der rechten AfD zu rechts

In dem Bürgerbüro der AfD Pankow war im November 2023 der österreichische Rechtsextremist Martin Sellner zu Gast, wie eine taz-Recherche zeigte. Der Vermieter des Hauses, Andreas Geithe, ist so rechts, dass sich sogar die Berliner AfD von ihm distanzierte. „Am Montag nach der Europawahl hätten wir alle heulen können“, sagt Fuchs. In Blankenburg hatten nur 39 Prozent gewählt, davon jeder fünfte die AfD.

Blankenburg gehört zu Berlin, auch wenn man das schnell vergisst. Die Vorortsiedlung im Nordosten ist voller Einfamilienhäuser. Eine der größten Kleingartenanlagen des Landes liegt hier, darin wehen Deutschlandflaggen.

Michaele Fuchs gießt sich auf ihrer Terrasse selbst gemachten Eistee in ein Glas. Im Garten steht ein Trampolin, hinter dem Rosenstrauch ein platt gedrücktes Planschbecken. Zwei Luftballons schweben durchs Wohnzimmer, sie bilden eine 11, es war Kindergeburtstag. Fuchs weiß, dass sie es hier gut hat, sie spricht von „Privilegien“ und „unserem reichen Land“.

Aber sie erlebt auch, wie sich dieses Land anderen gegenüber verhält. Ihr Schwiegersohn hat Uganda verlassen, weil er politisch verfolgt wurde. Der direkte Nachbar grüße ihn nicht, ansonsten sei alles okay. Er werde bloß öfter nach seinem Ausweis gefragt, seine Anträge bei den Ämtern langsamer beantwortet als die seiner Frau. Man lässt ihn warten, rumstehen, ausharren, so übersetzt sich Rassismus in den Alltag.

Die Sonne schiebt sich hinter dem Schirm hervor, strahlt Michaele Fuchs jetzt auf den Kopf, den sie über all das schüttelt. Dann schultert sie ihren blauen Gitarrenkoffer, es geht los.

Angst macht Fuchs die Angst

Die Straße, an der ihr Haus liegt, hat keine Schattenseite, man muss durch die Hitze. Einige Dächer tragen Solarpanels, ein Porsche parkt mit angelassenem Motor in einer Einfahrt, auf einem Stromkasten steht FCK AFD.

Fuchs weiß nicht, wer hier rechts wählt. Angst macht ihr vor allem die Angst: Dass sie, wenn sich eine Journalistin ankündigt, erst googelt, ob es wirklich eine ist. Dass sie Kratzer auf dem Auto hat und nicht weiß, woher. Dass sie sich fragt, ob ihre Enkelin mit dem Nachnamen des Schwiegersohns später eine Wohnung findet.

„Ich will so nicht leben“, sagt sie, und das ist Grund genug, um sonntags vor der gelben Fassade zu stehen, die Gitarre vor den Bauch gebunden. Fuchs stimmt eine umgedichtete Version der Europahymne „Ode an die Freude“ an, lauter Leute mit Schiebermützen und Cargo-Hosen singen auf dem Dorfanger: „A-lle Men-schen sind Ge-schwis-ter“.

Den Schwung in Fuchs’ Stimme hört man über die anderen hinweg. An der Bushaltestelle steigen Menschen aus und laufen weiter. Manchmal fährt ein Auto vorbei, wirbelt den trockenen Staub auf. Die Rollladen des „Braunen Hauses“ bleiben weiterhin unten.

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