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Kampf gegen KlimakriseErst Staat, dann Bür­ge­r*in­nen

Die Klimakrise ist ein Gerechtigkeitsproblem, diagnostiziert der Deutsche Ethikrat. Er hat dazu Stellung genommen, wie Klimaschutz fair abläuft.

Kommt hier gleich ein Bond-Bösewicht um die Ecke? Luxuskonsum wie diese Jacht befeuert die Klimakrise massiv Foto: Imago

Berlin taz | Was ist das gute Leben? Ein exotischer Strandurlaub pro Jahr, jeden Tag gutes und gesundes Essen, endlich mal ein Stündchen ungestörte Muße?

Durch die Klimakrise muss das jetzt ausgehandelt werden, meint der Deutsche Ethikrat. Die 26 Sachverständigen, die hälftig von Bundestag und Bundesregierung vorgeschlagen werden und dann gesellschaftliche Probleme ethisch bewerten sollen, haben sich erstmals mit dem Thema Klimagerechtigkeit befasst. Am Mittwoch stellten sie das Ergebnis in Berlin vor.

Es gelte, „sich an Schwellenwerten für wichtige Grundgüter und Befähigungen als Mindestvoraussetzungen für ein gutes, gelingendes Leben zu orientieren“, heißt es in der Stellungnahme. Und: Die Bedürfnisse von Menschen, deren Versorgung diese Schwellenwerte dann nicht erreicht, seien vorrangig zu berücksichtigen. Sicherheit auf niedrigem statt Jammern auf hohem Niveau also.

„Die Bewältigung des Klimawandels und seiner Folgen ist eine gesellschaftliche Mammutaufgabe: Wie können wir dabei die Lasten gerecht verteilen? Wer trägt die Verantwortung? Und was können wir tun, damit uns allen dabei nicht die Puste ausgeht?“, fragte Alena Buyx, die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates.

„Menschen tragen unterschiedlich zum Klimawandel bei“

Und ist es nun moralisch verwerflich, trotz Klimakrise ins Flugzeug zu steigen, keinen Ökostrom zu buchen, Fleisch zu essen – sich also klimaschädlich zu verhalten? Tatsächlich sieht der Ethikrat auch die einzelnen Bür­ge­r*in­nen in der Verantwortung für Klimaschutz. Aber nicht in erster Linie. „Vornehmlich“ handele es sich um eine staatliche Aufgabe. Die Begründung: Welche Spielräume der*­die Einzelne hat, klimafreundliche Optionen den klimaschädlichen vorzuziehen, hängt am Staat.

„Es ist unangemessen, wenn staatliche Akteure von Individuen emissionsärmeren Konsum erwarten, solange innerhalb der vom selben Staat gewollten und unterstützten Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung die Voraussetzungen dafür zu einem guten Teil nicht erfüllt sind oder sogar konterkariert werden, sodass emissionsärmeres Handeln in vielen Feldern immer noch ‚moralisches Heldentum‘ verlangt“, heißt es in dem Gutachten.

Allerdings sind es eben nicht in erster Linie diejenigen Bürger*innen, denen die Möglichkeiten zum Beispiel in Form von Geld fehlen, die sich besonders klimaschädlich verhalten. „Menschen tragen sehr unterschiedlich zum Klimawandel bei – schon allein das wirft große Gerechtigkeitsfragen auf“, sagte Kerstin Schlögl-Flierl aus dem Ethikrat. „Das fängt schon innerhalb unserer Gesellschaft an. Wohlhabende Menschen fliegen öfter, während Menschen mit weniger Geld durch viele Klimaschutzmaßnahmen besonders belastet werden.“

Das wirkt sich laut dem Ethikrat auch darauf aus, wer wie stark belastet werden darf. „Wer leistungsfähiger ist – und möglicherweise auch mehr zum Klimawandel beiträgt –, muss mehr Verantwortung übernehmen und stärker in Vorleistung gehen“, so Armin Grunwald vom Ethikrat. „Das betrifft sowohl Länder und Unternehmen als auch einzelne Menschen. In Anbetracht der außerordentlich schwerwiegenden Folgen einer ungebremsten globalen Erd­erwärmung wäre es geradezu unverantwortlich, erst aktiv zu werden, wenn andere nachziehen.“

Das sehen aber auch einige anders. Drei Mitglieder des Ethik­rats, nämlich Steffen Augsberg, Franz-Josef Bormann und Frauke Rostalski, haben sich in einem Sondervotum gegen den Konsens des restlichen Gremiums gestellt. Sie argumentieren, „dass selbst besonders umfangreiche nationale Anstrengungen zur Verbesserung der eigenen CO2-Bilanz einen sehr geringen Einfluss auf den globalen CO2-Ausstoß haben“.

Eingriffe in die individuelle Freiheit der Bür­ge­r*in­nen würden sich auf dieser Basis „kaum legitimieren“ lassen. Daran ändere auch die Dringlichkeit des Problems nichts, schreiben die drei. Das ist ein Argument, das oft von Geg­ne­r*in­nen von Klimapolitik ins Feld geführt wird. Die drei beteuern hingegen: „Wir teilen die Auffassung des Mehrheitsvotums, dass die Bewältigung des Klimawandels und seiner Folgen zu den großen Menschheitsaufgaben der Gegenwart und Zukunft gehört.“

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7 Kommentare

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  • Der Ethikrat kommt mit seiner Argumentation und Vorschlägen in einen wohl übersehenen Widerspruch: wenn wir und die "reichen" Länder ins degrowth verfallen, dann gibt es nichts mehr umzuverteilen an arme und stärker vom Klimawandel betroffene Länder. Nur wenn es uns und unserer Wirtschaft gut geht und vor allem wenn diese wächst, dann können wir problemlos was an Andere abgeben bzw. andern helfen. Genau das Wirtschaftswachstum schafft Werte, die wir dann zum Teil (natürlich nicht alle, sonst wächst ja nichts mehr) abgeben können. Wenn die Wirtschaft dazu noch grün und grüner wird, dann können wir das auch exportieren und so armen und sonstigen Ländern beim grüner werden helfen.

  • Ich finde die Argumentationslinie des Ethikrats sehr nachvollziehbar. Niemand anderes als die Individuen selbst können aufhören, in Flugzeuge zu steigen, Fleisch zu essen, große Autos zu kaufen, auf andere Verkehrsmittel umzusteigen, kleinere Wohnungen zu beziehen, usw. Das können die a) freiwillig machen b) Aufgrund von Kosten c) durch Verbote. Klar müssen die Externalitäten in die Preise inkludiert werden, damit man keine Subventionierung von klima- und gesellschaftsschädigendem Verhalten hat. Aber die Konsequenz von einer angemessenen CO2-Steuer, die wirklich die Schäden an der Gemeinschaft beziffert, führt am Ende nur dazu, dass sich reiche Menschen schädlichen Konsum trotzdem leisten können, während die anderen den ökonomischen Zwängen nachgeben und ihre Emissionen reduzieren müssen. Ja, die Rahmenbedingungen für Verhalten, das weniger klimaschädlich ist, sind alles andere als optimal, aber eine Klimadiktatur will auch niemand, denn dann sind die Freiheiten dahin, die man mit Klimaschutz überhaupt erst erhalten wollte. An einem Teil von individuellen Verhaltensveränderungen kommen wir also nicht vorbei, besonders wenn man eine Vorbildfunktion einnehmen will und die Rahmenbedingungen leider noch nicht die sind, die man sich wünscht, wenn einem der Schutz der Lebensgrundlagen (Essen, Trinken, Sicherheit usw.) wichtig sind.

  • 1. Kapitalismus und konsequenter Klimaschutz gehen nicht zusammen.

    Im Kapitalismus geht nur langsamer Klimaschutz, der erneuerbare Energien da implementiert, wo sie günstiger sind als fossile. Momentan sind wir in Deutschland bei 20 % und weltweit bei 15 % erneuerbarem Anteil am Gesamtenergieverbrauch.

    2. Menschen sind auf Konsum konditioniert, Firmen brauchen Wachstum, Politiker Steuereinnahmen. Jeglicher kollektiver Verzicht und Degrowth ist nicht gewollt und nicht umsetzbar.

    3. Wir können den Klimawandel nicht aufhalten - höchstens etwas abbremsen, statt ungebremst 4-5 Grad, vielleicht auf 2,5 bis 3 Grad Erwärmung, was schlimm genug wird.



    Das 1,5 Grad Ziel ist eine unrealistische Illusion.

    4. Die Triebkräfte des Menschen und die des Wirtschaftssystems stehen gegen Klimaschutz.

    5. Die Appelle der Klimawissenschaftler („wenn wir jetzt das Ruder herumreißen“) erweisen sich zunehmen als politisch naiv und die Haltung der Klimaaktivisten steht für „magisches“ Denken,



    als müsse man sich etwas nur ganz doll wünschen, und es würde geschehen.

    6. Unbestritten, das die Menschheit wider besseren Wissen auf den Abgrund zu rast ist furchtbar traurig und sehr bitter.

    7. Wir sollten unsere Energie jetzt darauf fokussieren uns, den machbaren Klimaschutz zwar weiter umzusetzen, uns aber verstärkt auf die bevorstehend Erwärmung vorbereiten.

    • @Paul Schuh:

      kann dem zustimmen, außer Punkt 6



      Es gibt keinen Abgrund; nur Veränderung. Die mag wohl drastisch ausfallen, aber die Erde dreht sich weiter

    • @Paul Schuh:

      Kapitalismus und konsequenter Klimaschutz gehen nicht zusammen, deshalb benötigen wir auch einen Systemwechsel und der wird kommen, entweder geplant und mit Vernunft oder durch plötzlichen Zusammenbruch des Kapitalismus mit Barbarei und Faschismus (s. Kohei Saito). Wenn wir zum Ende des Jahrhunderts bei 3 Grad globale Erderwärmung landen, dann wird die Erderwärmung weiter gehen, da wir dann Kippunkte des Systems ( Z B. Permafrost) überschritten haben, die zu weiterer Erwärmung führen ob wir wollen oder nicht. Unsere einzige Chance besteht jetzt (in diesem Jahrzent, s. IPCC) dem Vorzubeugen. Deshab alle Energie in den Kampf für eine schnelle Transformation und weg von der Verbrennung fossiler Rohstoffe

    • @Paul Schuh:

      Stimme Ihnen in allen Punkten zu und ergänze im allgemeinen zum Thema : "Ethikrat beschäftigt sich mit Wirtschaftsfragen" :

      Ethik und unsere ( mit Adamantketten festgezurrte ) Art zu wirtschaften? - Na, da müssen Sie sich schon entscheiden.

  • Ich hab mir das Sondervotum der 3 durchgelesen und kann es nicht verstehen. Ist der Rat erst mal abzuwarten, ob die anderen Klimaschutz betreiben? Warum sollten dann die anderen nicht die gleiche Haltung einnehmen und auch erstmal warten, bis wir Klimaschutz betreiben? Und dann meinen die drei, dass Klimaschutz eine große Menschenaufgabe sei und ich kann in dem Sondervotum keine Handlungsempfehlung der drei finden, Haben die drei eigentlich verstanden, dass wir in Deutschland die Treibhausgas "Badewanne" zu einem überproportional großen Teil gefüllt haben und sich schon aus diesem Grund eine Verpflichtung ergibt, mit Klimaschutz voranzugehen?