piwik no script img

Kampf der StammesmilizenPakistans Taliban unter Druck

Nach der Armee mobilisieren jetzt auch die konservativen Stämme gegen die Pakistanischen Taliban, deren Bombenanschläge und Morde sie überdrüssig sind

Dauernde Anschläge haben den Zorn der konservativen Stämme entfacht. Bild: dpa

Heftige Kämpfe erschüttern die Gebiete Shotkas und Ghazi Gai im Nordwesten Pakistans. Eine tausende Mann starke, kürzlich von mehreren Stämmen gemeinsam aufgestellte Miliz hat hunderte Anhänger der pakistanischen Taliban eingekreist und nimmt ihre Stellungen auch mit schwerer Artillerie unter Feuer. Die Taliban geraten in die Defensive: Mindestens 16 ihrer Stellungen haben die Stammeskämpfer in den vergangenen Tagen zerstört und mindestens 20 Häuser, in denen sich Taliban-Kämpfer verschanzt haben sollen, in Brand gesteckt.

Die Stämme in Pakistans unruhigem Grenzgebiet zu Afghanistan nehmen den Kampf gegen die Militanten immer mehr in die eigene Hand. Die Stimmung unter den Stämmen, von denen einige den Militanten zuvor jahrelang Unterschlupf gewährten, hat sich zugunsten der Regierung gedreht. Mit ihren Terroranschlägen und der Ermordung von Zivilisten und Regierungsbeamten haben die pakistanischen Taliban die Sympathien bei den Bewohnern der Region verspielt.

Einer dieser Anschläge brachte am vergangenen Freitag die Stimmung in der Region Upper Dir, wo die Kämpfe stattfinden, zum Kochen. Während des Freitagsgebets detonierte in dem Dorf Hayagai Sharki ein Sprengsatz in einer Moschee. Das Gebäude stürzte teilweise ein, noch Stunden später suchten Dorfbewohner nach Überlebenden. Mindestens 38 Menschen wurden getötet, viele verletzt.

Wer für den Sprengsatz verantwortlich war, ist unklar. Doch die Attacke trägt die Handschrift der pakistanischen Taliban, die zuvor ähnliche Anschläge verübten, um ihre Autorität gewaltsam durchzusetzen. Noch am selben Tag meldeten sich hunderte Bewohner aus Hayagai Sharki und angrenzenden Dörfern freiwillig, um in einer gemeinsamen Offensive die Militanten aus der Region zu vertreiben.

Derweil rückt die Armee im benachbarten Regierungsbezirk Malakand, zu dem auch das umkämpfte Swat-Tal gehört, nach eigenen Angaben weiter gegen Taliban-Stellungen vor. Im Dorf Balakot stürmten Sicherheitskräfte nach Hinweisen von Dorfbewohnern ein Haus, in dem sich Taliban-Kämpfer verschanzt hätten, und töteten diese, erklärte Armeesprecher Athar Abbas am Montag.

Die Menschen im Flüchtlingslager Yar Hussein in Swabi rund 100 Kilometer westlich von Islamabad finden deutliche Worte über die pakistanischen Taliban. Zehntausende Bewohner des Swat-Tals sind vor den Kämpfen zwischen Armee und den Militanten hierher geflohen. Jeden Tag drängen hunderte weitere Flüchtlinge in das schon jetzt überfüllte Lager. Die weißen Zelte ziehen sich in der staubigen Ebene bis an den Horizont. Die Gluthitze des Hochsommers drückt erbarmungslos in jedes Zelt.

Männer mittleren Alters stehen bei der Essenausgabe und diskutieren aufgeregt. "Die Militanten sind gekommen, haben unsere Kinder vor unseren Augen weggeführt und ihnen erzählt, sie würden direkt ins Paradies kommen, wenn sie für sie kämpfen und sterben", sagt ein Mann Anfang 50. Er trägt einen weißen Salwar Kameez, das traditionelle Langhemd, und hat einen langen weiß-grauen Bart. "Die Kinder haben wir dann nie wieder gesehen."

Auch seien die Taliban-Kämpfer in Häuser eingebrochen und hätten gestohlen, erzählt ein anderer. "Die sind zu jedem gegangen, der ein Dienstfahrzeug der Regierung hatte, und haben ihm die Schlüssel abgenommen. Wer etwas dagegen sagte, wurde erschossen." Ein Mann sagt: "Wir wollen, dass der Name Taliban komplett ausgelöscht wird. Wir möchten, dass nirgendwo mehr ihre Spuren zu sehen sind unseren Gebieten." Die anderen stimmen ihm einhellig zu.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!