Kampagne gegen Stammtischparolen: Politische Bildung im Bierdeckelformat
Sachsens Integrationsministerium will Vorurteile da korrigieren, wo sie oft geäußert werden: beim Bier. Die Reaktionen sind gemischt.

„An Stammtischen wird ja gern darüber diskutiert, und da fanden wir es gut, wenn man dort auch die Antworten sieht“, sagte Köpping bei der Vorstellung der Kampagne Mitte Juli. 120.000 Pappdeckel mit sechs verschiedenen Motiven hat das Ministerium drucken lassen. An der Verteilung wirken der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga, der DGB-Jugendbezirk Sachsen und weitere drei Vereine mit.
Eine Ministeriumssprecherin berichtete, dass auch die Polizeidirektion Dresden und Christian Hartmann, innenpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion und ehemaliger Polizeibeamter, Bierdeckel angefordert haben.
Nach gut einer Woche gibt es noch keinen zuverlässigen Überblick über die Reaktionen auf die Bierdeckel. Es fällt jedoch auf, dass jüngere Kneipenbesucher aufgeschlossen und rational reagieren. Ältere aus der Generation Pegida verhalten sich hingegen skeptisch bis ablehnend.
Zweifel am missionarischen Erfolg
Im Kommentarbereich des Mitteldeutschen Rundfunks etwa ist zu lesen: „Agitation und Propaganda auf Bierdeckeln haben sich nicht einmal die Machthaber im SED-Staat erlaubt.“ Auf der Facebook-Seite der SPD Sachsen werden Zweifel am missionarischen Erfolg einer solchen Kampagne geäußert. Als ein besonders aufgeklärtes Volk galten die Sachsen ja noch nie.
Die sächsische AfD-Landtagsfraktion, die ohnehin täglich mindestens ein halbes Dutzend Pressemitteilungen verschickt, wettert erwartungsgemäß kräftig gegen die Bierdeckelaktion. Auch sie zieht den DDR-Vergleich und spricht von einer „ideologischen Umerziehungskampagne“, die in herablassender Weise den Bürgern eine „reelle Einschätzung der politischen Lage“ abspreche. Der Rechnungshof solle die Steuergeldverschwendung prüfen.
Noch übler wird die gemeinsam mit den Verkehrsbetrieben von Leipzig und Dresden beabsichtigte Ausdehnung der Aufklärungskampagne auf kurze entsprechende Spots in Straßenbahnen und Bussen kritisiert. Unter der Überschrift „Kim-Jong Köpping“ werden Indoktrination und „Zwangsberieselung“ nach nordkoreanischem Vorbild unterstellt.
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