: Kammer konzentriert sich
Schwer vermittelbare Jugendliche sollen bei der Arbeitnehmerkammer demnächst keine „Grundausbildung“ mehr erhalten. Bis 2007 wird das Programm wegen sinkender Einnahmen auslaufen. Auch 70 Pädagogen sollen auf der Streichliste stehen
Schwer vermittelbare Jugendliche können sich demnächst bei der Arbeitnehmerkammer nicht mehr für den Start ins Berufsleben vorbereiten. Die Gesellschafterversammlung hat bereits auf ihrer Sitzung am 14. November beschlossen, dass dieser Bereich ab 2007 nicht mehr fortgeführt werden soll. Das bestätigte Geschäftsführer Heinz Möller gestern der taz. „Wir beginnen keine Maßnahmen mehr, die über das Jahr 2007 hinauslaufen“, sagte Möller. „Angesichts weniger Drittmittel und geringerer Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen müssen wir uns auf unsere Kernaufgaben konzentrieren, also auf die Erwachsenenbildung. Ich finde das sehr schade.“
Die so genannte „Erstausbildung“ sei laut Satzung keine „originäre Aufgabe der Kammer“. Die müsse sich um ihre Mitglieder kümmern – rund 290.000 Arbeiter und Angestellte im Land Bremen. Und eben nicht um die Jugendlichen, die keine Beiträge zahlen. In Bremen gibt es derzeit 3.900 Arbeitslose unter 25 Jahren, davon haben gerade mal 1.500 einen Berufsabschluss.
Seit 1997 haben nach Angaben Möllers 600 Jugendliche am Benachteiligtenprogramm der Kammer teilgenommen. Für 15- bis 26-Jährige, die auf dem Arbeitsmarkt schwer vermittelbar sind, gibt es die Berufsvorbereitung bei der kammereigenen Wirtschafts- und Sozialakademie (Wisoak). Dort können sie sich in in Bereichen wie Holz, Raumausstattung, Elektro oder Malerei orientieren. Die Wisoak sucht ihnen nach Abschluss einen passenden Betrieb für die „echte“ Ausbildung im dualen System. Aus der außerbetrieblichen Ausbildung wurde so häufig eine innerbetriebliche. Nicht zuletzt deshalb, weil die Wisoak darauf achtete, dass die Jugendlichen Praktika absolvierten, sagt ein Mitarbeiter. Und: „Wir machen einen guten Job. Jetzt sind wir alle hier zum schleichendem Sterben verdammt.“ Rund 70 Ausbilder und Sozialpädagogen sollen bis 2007 überflüssig werden, „erledigt“, sagen Betroffene. Geschäftsführer Möller: „Ich verstehe die Aufregung der Kollegen.“
Schon vor fünf Jahren hatte der Jugendbereich auf der Kippe gestanden, weil die Wisoak mit ihrem Geld nicht mehr auskam. Die Schließung wurde damals nur abgewendet, weil Räume weit über das Jahr 2000 hinaus angemietet worden waren.
Jetzt mußte die Kammer handeln, betont Geschäftsführer Möller. Derzeit wisse noch niemand, wie genau die Förderung der Bundesanstalt für Arbeit (BA) im kommenden Jahr aussehe. Möller: „Ich bin selbst Erwachsenenbilder und weiß: Die Bedingungen werden leider nicht besser.“
Die Kammerhaushalt bestehe noch zu 22 Millionen Euro aus Drittmitteln für Qualifizierungsmaßnahmen. Die Jugendbildung mache davon gut 30 Prozent (etwa acht Millionen Euro) aus. Selbst trage die Kammer die Infrastruktur, beispielsweise die Werkstätten. Und zwar aus den Mitgliedsbeiträgen in Höhe von 14 Millionen Euro. Die sacken derzeit wegen der schlechten Situation auf dem Arbeitsmarkt ab. Möller: „Wenn sich der Drittmittelgeber verabschiedet, wird abgeschmolzen.“ ksc
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