Kambodscha vor den Wahlen: Angriff auf die Zivilgesellschaft
Justiz geht gegen Gewerkschafter, Bauernaktivisten und die Oppositionspartei vor. So sichert sie dem Dauerherrscher Hun Sen die Macht.
Am selben Tag bestätigte das Verfassungsgericht des südostasiatischen Königreichs die Nichtzulassung der oppositionellen Kerzenlicht-Partei zu den Parlamentswahlen Ende Juli. Sie hatte als einzige Partei der Opposition Aussichten auf einen substantiellen Stimmenanteil.
Erst wenige Tage zuvor waren drei Landrechtsaktivisten der Bauernkoalition CCFC wegen angeblicher Verschwörung angeklagt worden. Am Machterhalt des seit 1985 amtierenden und von China gestützten Ministerpräsidenten Hun Sen und seiner Kambodschanischen Volkspartei (CPP) gibt es damit keinen Zweifel. Derzeit baut der 70-jährige Dauerherrscher seinen Sohn Hun Manet, einen hohen Offizier, als Nachfolger auf.
Die 34-jährige Chhim Sithar erhielt jetzt als Vorsitzende der Gewerkschaft der 8.600 Casino-Arbeiter*innen (LSRU) des Glücksspielkonzerns NagaWorld zwei Jahre Haft für das Anführen eines Streiks. Die LSRU wehrte sich gegen die Entlassung von 1.321 Angestellten eines von einem malaysischen Tycoon geführten Casino-Konzerns mit besten Beziehungen zur Regierung, die vor allem auf Gewerkschaftsmitglieder zielte.
Juristisch fragwürdige Verfahren
Sithar hatte schon einige Monate in U-Haft gesessen, bevor sie auf Kaution freigelassen worden war. Im Dezember wurde sie bei der Rückkehr von einer Konferenz aus Australien erneut festgenommen. Angeblich hatte sie ein Reiseverbot missachtet, das ihren Anwälten aber nicht mitgeteilt worden war. Auch hatte sich das Gericht bisher nicht daran gestört, dass Sithar zuvor schon zweimal nach Thailand gereist war.
Juristisch fragwürdig ist auch der Parteiausschluss zur Wahl: Die Kerzenlicht-Partei darf jetzt nicht antreten, weil sie beim Antrag auf Wahlzulassung ihre Registrierung als Partei nicht vorlegen konnte. Doch die war einige Monate zuvor bei einer Razzia der Polizei beschlagnahmt worden.
Auch die Festnahme der CCFC-Bauernaktivisten, für deren Freilassung es in den letzten Tagen Demonstrationen gab, ist nach Meinung von Beobachtern politisch motiviert: „Die haltlosen Anklagen sollen den friedlichen Widerstand gegen Landraub in Kambodscha unterdrücken“, erklärte Mathias Pfeifer von der Menschenrechtsorganisation Fian in Köln.
Parlament schon jetzt ohne Oppositionspartei
Kambodschas Justiz ist nicht unabhängig, sondern folgt den Vorgaben und Interessen der autoritären Regierung. Die Bevölkerung ist zunehmend eingeschüchtert. Viele trauen sich nicht mehr, ihre Meinung zu sagen.
Längst ist die CPP die einzige Partei im Parlament, nachdem die oppositionelle Partei CNRP (Kambodschanische Nationale Rettungspartei), die Vorgängerin der Kerzenlicht-Partei, 2017 verboten worden war. Der CNRP-Vorsitzende Khem Sokha wurde im vergangenen März zu 27 Jahren Haft verurteilt.
Im Februar war dem Webportal Voice of Democracy als einem der letzten unabhängigen Medien die Lizenz entzogen worden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?