Kalte Räumung an der Frankfurter Allee: Missinformation mit System
Das Camp am Containerbahnhof wurde nicht offiziell geräumt. Viele Bewohner:innen haben das Camp dennoch verunsichert verlassen.
Berlin taz | Es ist erstaunlich ruhig am Montagmorgen auf der betonierten Fläche am Containerbahnhof unweit der Frankfurter Allee. Keine Bagger, die die selbst gebauten Hütten abreißen, kein BSR-Container, indem das Hab und Gut der Campbewohner:innen entsorgt wird. Die Polizei ist zwar vor Ort, aber nur in geringer Zahl und sehr zurückhaltend. Räumen wollen sie heute nicht.
Eigentlich hatte die Eigentümerin der Fläche, die Deutsche Bahn AG, angekündigt, das Camp am Montag räumen zu wollen. Zeitweise 30 Menschen leben auf dem zuvor ungenutzten Betriebsgelände in Zelten, selbst gebauten Hütten und Wohnwägen. Die Bahn begründet die Räumungsabsichten mit „anstehenden Baumaßnahmen“.
Friedrichshain-Kreuzbergs Bezirksstadtrat, Knut Mildner-Spindler (Linke),sagt gegenüber der taz, die Bahn habe ihm versichert, am Montag nicht räumen zu wollen. Derzeit laufen wohl noch Gespräche zwischen der Bahn und der Stadtmission, die eine Ausweichfläche für die Bewohner:innen bereitstellen will. Spindler spricht daher nicht von einer „Räumung“, sondern etwas beschönigend von einem „Umzug“.
Alles super also? Mitnichten, denn wann geräumt wird, ist weiter unklar. Die anwesenden Polizist:innen teilten den rund 30 Unterstützer:innen, die vorsorglich eine Kundgebung gegen die Räumung angemeldet hatten, mit, dass die Räumung auf nächsten Montag verschoben wurde.
Widersprüchliche Ankündigungen
Die Deutsche Bahn sagte der taz noch am Sonntag, dass sie gedenke „ab Montag“ die Fläche zu räumen, das heißt vielleicht auch einfach ein paar Tage später.
Diese Missinformation habe System, vermutet Frieder Krauß von der Berliner Obdachlosenhilfe: „Es ist eine kalte Räumung.“ Durch die ständigen und oft widersprüchlichen Ankündigungen würde eine Atmosphäre der Angst geschaffen, durch die die meisten freiwillig gingen. „Die meisten hier wollen nur ihre Ruhe.“
Tatsächlich hat knapp die Hälfte der Bewohner:innen das Camp verlassen. Wie ein Sozialarbeiter der taz berichtete, wurde eine Gruppe von Südosteuropäer:innen bereits am Wochenende von der Polizei aufgefordert, das Camp bis zum nächsten Morgen zu verlassen. Erst im Februar wurde die Gruppe aus dem Camp an der Rummelsburger Bucht geräumt.
Der „Umzug“ auf die nur wenige Meter weiter durch die Stadtmission gepachtete Fläche betrifft auch nur die sechs, schon seit Längerem auf der Fläche befindlichen Wohnwägen. Der Rest muss sich wohl oder übel nach einer neuen Fläche umgucken, bis dann wieder die nächste Räumung ansteht.
Vielleicht schaffen es die Bahn und der Bezirk, so unschöne Bilder einer gewaltsamen Räumung zu verhindern. Auch konflikträchtiger Gegenprotest ließe sich so vermeiden. Nachhaltig beschädigt wird hingegen das Vertrauen der obdachlosen Menschen in Politik, Polizei und Sozialarbeit.