Kakaokonferenz in Berlin: Schokogenuss ohne Sünde
Noch bis Mittwoch diskutieren Experten aus aller Welt in Berlin über Kakao. Schoko-Exportweltmeister Deutschland steht in der Verantwortung.
„Jeder entscheidet für oder gegen Kinderarbeit, für oder gegen illegale Rodung von Regenwald“, sagte Klöckner. Deutschland habe als Exportweltmeister für Schokoladenprodukte eine hohe Verantwortung. Die Situation für Kakaoproduzent*innen hat sich in den vergangenen Jahren drastisch verschlechtert, erklärte der Exekutivdirektor der Internationalen Kakaoorganisation (ICCO), Jean-Marie Anga.
Nachdem der Weltmarktpreis für Kakao im Jahr 2016 wegen guter Ernten um rund ein Drittel eingebrochen war, erlitten die Produzent*innen Einkommensverluste von bis zu 40 Prozent. Gleichzeitig, so Anga, stiegen die Preise für Schokoladenprodukte in den Verbraucherländern an: „Hier läuft etwas grundlegend falsch.“
Ein Großteil des weltweit gehandelten Kakaos stammt aus Westafrika. Die meisten Bauern sind nicht in Kooperativen organisiert und stehen großen verarbeitenden Konzernen daher allein gegenüber. So können sie ihre Interessen nur schwer vertreten. Viele leben in großer Armut.
Was ist nachhaltig?
Ein zentrales Problem ist das Verständnis dessen, was „nachhaltig“ ist. Während Klöckner hierzu lediglich auf eine dänische Initiative verweisen konnte, sagte Anga, dass von nachhaltiger Kakaoproduktion alle Beteiligten zumindest überleben sollten – und dies ist aktuell schlicht nicht der Fall.
„Unsere Produzenten und Erzeuger können nicht mehr“, deshalb flüchteten viele nach Europa, sagte Kameruns Handelsminister Luc Mbarga Atangana. Kinderarbeit ist weit verbreitet. Allein in Westafrika arbeiten laut Entwicklungsnetzwerk Inkota 2,2 Millionen Kinder auf Kakaoplantagen. Von einem Leben der Produzent*innen in Würde „sind wir aktuell weiter entfernt als die Anbauländer vom Tagungsort“, sagte Inkota-Experte Johannes Schorling.
In der Preisfrage sieht Anga beim Kakao nicht zu allererst die Verbraucherländer aus den USA und Europa in der Pflicht, sondern die produzierenden Länder in den Entwicklungsländern. Diese müssten kooperieren, um ihre Marktmacht besser auszunutzen.
Auch Klöckner sieht ihr Land nicht als Teil des eigentlichen Problems an. Dieses bestehe vielmehr in der hohen Abhängigkeit der Produzent*innen vom Weltmarktpreis – und in der Beschränkung auf ein einziges Anbauprodukt. Diversifizierung müsse deshalb das maßgebliche Stichwort für die Politiken der produzierenden Länder heißen, sagte Klöckner.
Demgegenüber stehen Stimmen wie die des ecuadorianischen Landwirtschaftsministers Rubén Flores Agreda. Er fragte: „Wie können wir mehr Solidarität in der Produktionskette erreichen?“ Vorschläge in diese Richtung hat Inkota in ihrem jüngsten „Kakao-Barometer“ veröffentlicht. Das Netzwerk hatte zudem unter dem Motto „Make Chocolate Fair!“ zum Protest vor dem Tagungsort aufgerufen. 100 Kinder und AktivistInnen demonstrierten mit einer menschengroßen Schokoladentafel.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei VW
Massiver Gewinneinbruch bei Volkswagen
VW-Vorstand droht mit Werksschließungen
Musterknabe der Unsozialen Marktwirtschaft
Verfassungsgericht entscheidet
Kein persönlicher Anspruch auf höheres Bafög
Kamala Harris’ „Abschlussplädoyer“
Ihr bestes Argument
Zu viel Methan in der Atmosphäre
Rätsel um gefährliches Klimagas gelöst
Nahostkonflikt in der Literatur
Literarischer Israel-Boykott