Kafka als Comic: Der beste Erzähler von Geschichten

David Zane Mairowitz veröffentlichte 1993 mit Robert Crumb einen Kafka-Comic, der nun neu erscheint. Zu Besuch in seiner Kreuzberger Hinterhofwohnung.

David Zane Mairowitz steht an Kafkas Grab

Zwei Autoren in Prag: David Zane Mairowitz an Kafkas Grab Foto: Malgorzata Zerwe

David Zane Mairowitz lädt in seine Hinterhofwohnung im Kreuzberger Bergmann-Kiez. Er lebt in Berlin, aber auch in Südfrankreich. In Deutschland ist er hauptsächlich für seine Arbeit. Er ist Schriftsteller und Comicautor, vor allem aber produziert er Hörspiele für das Radio.

Mairowitz ist gerade 81 Jahre alt geworden. Von der Rente mit 63 scheint er nicht viel zu halten. Er müsse immer weiter arbeiten, erklärt er, andernfalls befürchte, er zu verblöden.

Anlass des Besuchs bei ihm ist die Neuausgabe seines Comics „Kafka“, den er zusammen mit Robert Crumb, Papst des amerikanischen Undergroundcomics und Ikone der Gegenkultur der späten Sechziger, verfasst hat. Der Comic kam 1993 heraus, zwei Jahre später auch in deutscher Übersetzung. Jetzt, im Kafka-Jahr, erscheint das Büchlein, das im Original „Introducing Kafka“ heißt, also „Einführung zu Kafka“, in einer handlichen und preisgünstigen Version noch einmal.

An einer Wand in Mairowitz' Wohnzimmer hängt eine eingerahmte und von Crumb unterzeichnete Originalzeichnung aus dem Comic. Darauf zu sehen sind die beiden, Zeichner und Autor, in Prag. Sie tragen T-Shirts mit dem Konterfei Kafkas, als seien sie typische Touristen auf den Spuren des großen Schriftstellers der Moderne, wie sie Mairowitz auch im Comic beschreibt. Darin gehen solche in der tschechischen Hauptstadt auf Kafka-Touren, bei denen sogar so etwas Skurriles wie ein „Mittagessen mit Kafka“ angeboten werde.

Aufgewachsen in New York

Geboren ist Mairowitz in New York, dort wuchs er in einem „roten Elternhaus“ auf, wie er sagt. Seine Eltern waren Kommunisten. Mitte der Sechziger erst zog er nach London und war dort Mitgründer der Underground-Zeitung International Times, danach siedelte er nach Avignon in Südfrankreich um. Man bezeichne ihn immer noch als amerikanischen Schriftsteller, sagt er, dabei lebe er schon seit Jahrzehnten in Europa. Sein Deutsch ist übrigens fabelhaft.

David Zane Mairowitz, Robert Crumb: „Kafka“. Reprodukt, Berlin 2024, 176 Seiten, 9,90 Euro

Ausgerechnet in Südfrankreich hat er dann über einen gemeinsamen Bekannten Crumb kennengelernt, der seit den frühen Neunzigern in einem kleinen Kaff in der Provence lebt. In einem riesigen Haus, sagt Mairowitz, seit seine Frau gestorben ist, ganz allein. Die ganzen Geschichten über ihn würden allesamt zutreffen: „Er hat kein Handy, keinen Computer und hört ständig alte Schellacks mit Blues.“ Die Idee zu dem „Kafka“-Comic sei damals seine gewesen, sagt er.

Aus einem Bücherregal holt er einen Comic mit dem Titel „Reich for Beginners“, der in das Werk des Psychoanalytikers Wilhelm Reich einführt, der für die 68er-Generation eine wichtige Figur war. Auch für ihn, bis heute, wie Mairowitz sagt. Für einen englischen Verlag verfasste er die Texte des Sachcomics, der Mitte der Achtziger erschien, erzählt er.

Das Buch lief einigermaßen gut, der Wunsch nach Ähnlichem wurde geäußert, und so kam der Kafka-Fan Mairowitz zu seinem für ihn bis heute erfolgreichsten und bekanntesten Projekt. Dass der Kafka-Comic bis heute in erster Linie als Werk des weltberühmten Robert Crumb beworben und rezipiert wird, obwohl er es eigentlich aus der Taufe gehoben hat, damit könne er leben, sagt er.

Neurotisches Verhältnis zu Frauen

Crumb selbst sei vor der Arbeit an dem Comic gar kein Kafka-Kenner gewesen, weiß er zu berichten. Später habe er ihm aber mitgeteilt, dass er durch die gemeinsame Arbeit an dem Stoff den Prager Schriftsteller schätzen gelernt und sich selbst in diesem wiedererkannt habe. Was sich sehr gut nachvollziehen lässt: Wie Kafka ist auch Crumb für ein schwieriges bis neurotisches Verhältnis zu Frauen bekannt, für eine sprühende bis krude Fantasie sowieso.

Der gemeinsam verfasste Comic ist letztlich genau das, was der Titel der englischsprachigen Originalausgabe verspricht: eine Einführung in die Biografie, das Werk, die Welt Kafkas. Das Judentum, Kafkas Prag, seine Beziehung zum herrischen Vater, all das wird beschrieben. Zu „Die Verwandlung“ bis hin zu „In der Strafkolonie“ gibt es Abrisse, und der Inhalt von so gut wie sämtlichen Klassikern Kafkas wird zumindest skizziert. Neben all den wunderbaren Zeichnungen Crumbs gibt es für einen Comic vergleichsweise ziemlich viel Text.

Er versuche gerade, noch einmal ein gemeinsames Projekt mit Crumb auf die Beine zu stellen, berichtet Mairowitz. Doch der Zeichner, ungefähr im gleichen Alter wie er, sei inzwischen sichtbar gebrechlich. Außerdem sei die Kommunikation mit jemandem, der keine SMS beantworten kann und auch kein Internet hat, nicht gerade einfach.

Als man eigentlich denkt, nun könnte man das Gespräch mit Mairowitz langsam mal beenden, beschwert er sich: „Aber jetzt haben wir ja kaum über Kafka geredet“. Und das, obwohl man das zumindest indirekt ja die ganze Zeit getan hat. Kafka, das möchte er unbedingt noch loswerden, beschäftige ihn auch heute noch enorm. „Er war vielleicht nicht der beste Schriftsteller aller Zeiten“, sagt er, „aber der beste Erzähler von Geschichten.“

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