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Kämpferin gegen MachtgefälleLücke im System gefunden

Sabine Stövesand setzt sich für von Gewalt betroffene Frauen und Kinder ein – und setzt am Ursprung des Problems an. Jetzt wurde sie ausgezeichnet.

Zuhause ist nicht immer ein Schutzraum (Symbolbild) Foto: dpa

Mit langem Atem setzt sich die Hamburgerin Sabine Stövesand dafür ein, das Schweigen über Partnergewalt zu brechen und auch Nichtbetroffene zu ermutigen, dagegen aufzustehen. Denn „Gewalt gegen Frauen ist Ausdruck von einem jahrhundertealten Machtungleichgewicht. Es ist kein Frauenthema, sondern ein gesellschaftliches“, sagt sie. Für ihre Initiative „StoP – Stadtteile ohne Partnergewalt“ erhielt sie nun das Bundesverdienstkreuz.

Ende der 1980er-Jahre ging ihr langer Kampf dafür los, als sie als Sozialarbeiterin in einem Hamburger Frauenhaus zu arbeiten begann. Sie wollte misshandelten Frauen und ihren Kindern helfen, ihnen einen Ort der Zuflucht, Unterstützung und Solidarität bieten. Gleichzeitig trieb es sie um, dass die Betroffenen nach allem, was ihnen zugestoßen war, ihr gewohntes Umfeld verlassen und sich neu orientieren mussten: „Die Kinder brauchten neue ­Kitaplätze, neue Schulen, haben ihre Freunde verloren. Das ist neben den Gewalterfahrungen einfach eine hohe Belastung, die ich ungerecht fand.“

Eine Lücke im System sah sie außerdem in der Präventionsarbeit. Institutionen wie Frauenhäuser oder Täterberatungen seien zwar wichtig, um Menschen aufzufangen, denen Gewalt widerfahren ist oder die selbst zu Tätern geworden sind. Aber sie würden nicht am Ursprung des Problems, an gesellschaftlichen Strukturen, ansetzen.

Fasziniert davon, wie eine Betroffene mit ihren persönlichen Gewalterfahrungen umgegangen war, entschied sie sich, eine Stadtteilgruppe gegen Partnerschaftsgewalt in der Nachbarschaft zu gründen. Auf die dort erlangten Erfahrungen aufbauend, erarbeitete sie als Professorin für Soziale Arbeit ein mehrstufiges Handlungskonzept, wie Hilfsangebote in der Nachbarschaft aufgebaut sein müssen.Ihr Konzept sprach sich herum: Heute ist es in sechs deutschen Städten und an über 30 Standorten in Österreich zu finden.

Gegen alle Formen der sozialen Ungerechtigkeit

War lange in einem Frauenhaus in Hamburg tätig: Sabine Stövesand Foto: HAW Hamburg

Aber auch damit nicht genug: Neben ihrem Engagement gegen Gewalt an Frauen stellt sie sich entschieden gegen alle Formen sozialer Ungerechtigkeit, etwa gegen Racial Profiling: „Sie alle sind Ausdruck von Menschenrechtsverletzungen und ich bin davon überzeugt, dass Veränderungen am ehesten vom gemeinsamen Handeln von Menschen und von unten ausgehen.“

Um diese Überzeugung voranzubringen, ist sie äußerst beschäftigt: Nachdem sie erst vergangene Woche das Bundesverdienstkreuz für ihr Engagement erhalten hat, ist sie diese Woche in Rumänien. Dort schult sie internationale Kol­le­g*in­nen in ihrem Konzept, die es in sechs weiteren Ländern etablieren wollen.

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