Burundi wird zum Kollateral­schaden des Kongo-Krieges

Burundische Soldaten kämpfen in der DR Kongo gegen die von Ruanda unterstützten M23-Rebellen. In ihrer Heimat wächst Frust

Beisetzung von Opfern eines burundischen Rebellenangriffs in der DR Kongo, 26. Dezember 2023. Burundis Regierung macht für den Angriff Ruanda verantwortlich Foto: Berthier Mugiraneza/ap/picture alliance

Von Simone Schlindwein, Kampala

Normalerweise herrscht an den Grenzübergängen zwischen Burundi und dem Nachbarland Ruanda geschäftige Betriebsamkeit: Händler und Bauern bringen ihre Waren ins jeweils andere Land; Schüler aus der Grenzregion gehen auf der anderen Seite zur Schule; Familien besuchen Angehörige; Lastwagen transportieren Importwaren wie Benzin.

Doch seit Mitte Januar sind die Grenzübergänge dicht. An den Schlagbäumen stehen nur Soldaten in Hab-Acht-Stellung. Zwischen Ruanda und Burundi kriselt es erneut.

Der Grund: Burundische Rebellen der im Osten der Demokratischen Republik Kongo basierten Gruppe RED-Tabara („Widerstand für den Rechtsstaat“) fielen kurz vor Weihnachten in Burundi ein und verübten ein Massaker nordwestlich der Hauptstadt Bujumbura, bei welchem über 20 Menschen starben, darunter Kinder. Burundis Präsident Evariste Ndayishimiye beschuldigte Ruanda, die Rebellen mit Waffen und Uniformen ausgestattet zu haben, schloss die Grenze und ließ Truppen aufmarschieren.

Im Osten der DR Kongo stehen sich mittlerweile ruandische und burundische Soldaten direkt an der Front gegenüber. Laut UN-Erkenntnissen unterstützt Ruanda mit Spezialeinheiten die Tutsi-geführte Rebellenbewegung M23 (Bewegung des 23. März), die aktuell rund um die ostkongolesische Provinzhauptstadt Goma direkt an Ruandas Grenze wieder auf dem Vormarsch ist. Zu Tausenden flohen vergangene Woche Bewohner des Umlands in die Millionenstadt, nachdem Kämpfe in den Bergen rund 30 Kilometer westlich von Goma neu aufgeflammt waren.

Um die M23-Rebellen zurückzudrängen, hat Kongos Regierung burundische Soldaten angeheuert. Angeblich bezahlen sie diese mit Mineralien. Dafür kämpfen sie jetzt mit Kongos Armee gegen die M23, also indirekt auch gegen Ruanda.

Flucht nach Gefechten Die M23-Rebellen in der Demokratischen Republik Kongo sind vergangene Woche bis kurz vor die Stadt Sake am Kivu-See vorgerückt. Nach UN-Angaben haben sich daraufhin 135.000 Menschen aus Sake und dem Umland auf die Flucht in die 25 Kilometer entfernte Provinzhauptstadt Goma gemacht, die rund eine Million Einwohner zählt. Insgesamt sind in der Kampfregion rund 700.000 Menschen auf der Flucht.

Proteste in der Hauptstadt Im Zentrum von Kongos Hauptstadt Kinshasa protestieren seit Samstag täglich Jugendliche gegen angebliche internationale Komplizenschaft mit den M23-Rebellen. UN-Fahrzeuge wurden angezündet und Feuer vor Botschaften westlicher Staaten gelegt. Am Montag kam es erneut zu Protesten.

Vergangene Woche gerieten burundische Soldaten auf dem Weg nach Goma in einen Hinterhalt der M23, Dutzende starben. Fast täglich veröffentlichen die M23-Rebellen Namen und Fotos von gefallenen Soldaten aus Burundi. Vor einer Woche erklärte die Rebellenkoalition AFC (Allianz des Kongoflusses), in welcher die M23 führendes Mitglied ist, dass sie auch Kriegsgefangene aus Burundi festhalte. „Sie fühlen sich von ihrem Oberkommandierenden im Stich gelassen“, hieß es. Burundische Soldaten seien ohne ihre Mobiltelefone entsandt worden, damit sie nicht mit ihren Familien zu Hause in Kontakt treten können. Solche Nachrichten sind Teil der psychologischen Kriegsführung der M23. Sie sollen in Burundi Missstimmung gegen die Regierung erzeugen.

Gründe der Frustration gibt es in Burundi genug. Seit über zwei Jahren herrscht in dem kleinen Land mit rund 13 Millionen Einwohnern extreme Benzinknappheit aufgrund mangelnder Devisen. Mittlerweile geben Tankstellen, wenn überhaupt, nur noch 20 Liter pro Kunde aus. Die Wirtschaft leidet enorm, Preise sogar für Grundnahrungsmittel haben sich vervielfacht. „Ich kann kaum noch meine Kinder ernähren, bald sterben sie an Hunger“, klagt eine Frau auf dem Zentralmarkt in Bujumbura gegenüber der burundischen Medienplattform „SOS Médias Burundi“.

Die Grenzschließung zu Ruanda treibt nun die Preise in Burundi zusätzlich nach oben. Bei gewaltsamen Protesten an Tankstellen haben Händler und Motorrad-Taxifahrer ihren Frust ausgedrückt. Polizei und Mitglieder der „Imbonerakure“, die Jugendmiliz von Burundis Regierungspartei CNDD-FDD (Nationalkomitee/Kräfte zur Verteidigung der Demokratie), lösten die Proteste gewaltsam auf. Laut der burundischen Menschenrechtsorganisation ITEKA nimmt die staatliche Gewalt zu: außergerichtliche Hinrichtungen, gezielte Attentate, gewaltsames Verschwindenlassen, Folter und sexuelle Gewalt sowie willkürliche Verhaftungen.

Gleichzeitig macht die lange Regenzeit den Bauern in Burundi dieses Jahr besonders zu schaffen. Heftige Regenfälle haben die Aussaat verzögert und Saatgut weggewaschen. Der gewaltige Tanganyikasee entlang der Grenze zur DR Kongo hat einen extrem hohen Wasserstand und zerstört entlang seiner Ufer Häuser und Äcker.