Kämpfe am Flughafen in Tripolis: Libysches Absurdistan
Nach Kämpfen in Tripolis ist nur noch ein Flughafen teils geöffnet. Das Verteidigungsministerium bezahlt Milizen. Staaten in der Region mischen mit.
Auf der anderen Seite der ehemaligen amerikanischen Militärzone liegt der Suk al-Juma, der Freitagsmarkt. Aus der 200.000-Einwohner-Vorstadt stammen viele der religiös-konservativen Milizen, die 2011 Langzeitdiktator Muammar al-Gaddafi und seine Anhänger aus Bab al-Azizya, einer sechs Quadratkilometer großen Stadt in der Stadt, vertrieben hatte.
In dem Gefängnis auf dem von der US-Armee 1970 evakuierten Flughafen bewachen die Männer von Abdulrauf Kara rund 2.400 Gefangene. Aktivisten, IS-Kämpfer und Gegner des zum Salafisten gewandelten Milizenführers fristen einen trostlosen Alltag in dem Hochsicherheitstrakt, der offiziell der Kontrolle der Einheits-regierung von Premierminister Fajis al-Sarradsch untersteht.
Am vergangenen Freitag versuchten die Kämpfer der 32. Brigade, die Karas untersteht, aus Bengasi stammenden Radikale des sogenannten Schura-Rates zu befreien. Die mit Luftabwehrgeschützen ausgerüsteten Kontrollpunkte Karas wurden an belebten Straßenkreuzungen von der sich als Armee ausgebenden Miliz von Mohammed al-Bugra aus dem Hinterhalt angriffen. Über 30 Uniformierte und Zivilisten starben in dem 24 Stunden dauernden Häuserkampf.
Sieben von rund zwölf Boing- und Airbus-Passagierflugzeuge der drei libyschen Fluggesellschaften wurden von Kugeln und Luftabwehrsalven getroffen. Seitdem ist der in Mitiga umbenannte Flughafen, die einzige internationale Verbindung zur Außenwelt, nur noch eingeschränkt geöffnet. Trotz eines von Stammesältesten ausgehandelten Waffenstillstands rechnen viele in Tripolis mit einem weiteren Angriff der Kämpfer von Brigade-Kommandeur al-Bugra, „die Kuh“.
Mohammed Bulifa, Aktivist
Dass Tripolis überhaupt noch mit der Außenwelt verbunden ist, verdanken Tausende in Tunis und Istanbul festsitzende Reisende unter anderem zwei Piloten von Libyan Airways, die zwei Passagierjets inmitten des Chaos starteten und auf dem 2014 bei einem Milizenkrieg zerstörten internationalen Flughafen in Sicherheit brachten.
Dass sich Karas- und Bugras-Männer überhaupt bekämpfen, spiegelt die absurde Lage in Libyen wider. Beide unterstehen der Einheitsregierung von Premier al-Sarradsch, Bugra schlug sich jedoch auf die Seite der Islamisten.
Der von der von der UNO und der EU, aber nicht dem libyschen Parlament anerkannte ehemalige Geschäftsmann löste die Brigade 32 nun auf. Die Kämpfer „der Kuh“ werden aber weiterhin aus dem Etat des Verteidigungsministeriums bezahlt – so wie fast alle verfeindeten Gruppen im Land.
„Solange die internationalen Diplomaten und unsere eigene Regierung die Kultur der Milizen finanzieren, wird es keinen Frieden geben. Im Gegenteil, Libyen wird immer mehr zu einem Afghanistan am Mittelmeer“, sagt der nach Tunis geflohene Aktivist Mohammed Bulifa aus Tripolis.
Italien verstärkt Truppen
Dass der Krieg in Libyen nach relativer Ruhe jederzeit wieder eskalieren könnte, zeigt auch der Fall eines vergangene Woche von der griechischen Küstenwache abgefangenen Frachters mit 30 Tonnen Sprengstoff an Bord. Die „Andromeda“ war auf dem Weg von Izmir in die libysche Hafenstadt Misrata.
Während die Türkei und Katar die Milizen aus Misrata – nach Libyen geflohene Muslimbrüder – unterstützen, setzen die saudische Führung, Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate auf die ostlibysche Armee von Chalifa Haftar. Diplomaten der EU wollen hingegen die Einheitsregierung von al-Sarradsch stärken, der sich jedoch mangels eigener Truppen mit allen Milizen arrangiert hat.
Auch um die nach Tripolis zurückgekehrten Diplomaten zu schützen, hat Italiens Regierung am Freitag beschlossen, die im 200 Kilometer von der Hauptstadt entfernten Misrata stationierten eigenen Truppen mit offiziell 40 Spezialkräften zu verstärken. 470 Kampftruppen werden laut Verteidigungsministerin Roberta Pinotti nahe der libyschen Grenze in den Niger verlegt. Dafür werden italienische Soldaten aus dem Irak und Afghanistan abgezogen.
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