KZ-Tattoos in Israel: Die Schreckenszahl
Junge Israelis wollen das Andenken ihrer Vorfahren bewahren. Deshalb lassen sie sich tätowieren – mit KZ-Nummern.
JERUSALEM taz | Manch einem mag die auf den Unterarm junger Israelis tätowierte KZ-Nummer befremdlich erscheinen. Für mindestens ein Dutzend Nachfahren von Auschwitz-Überlebenden ist es ein Zeichen der Solidarität und ihr Beitrag, die Geschichte ihrer Großmutter oder des Großvaters nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.
„Ich war zu Beginn selbst schockiert“, gesteht Dana Doron, die das Phänomen zu einem Kurzfilm verarbeitete. Später aber habe sie auch „das Schöne gesehen, die persönliche Symbolik“. Für ihren Film „Numbered“ bekam die 31-Jährige Mitte Oktober zusammen mit dem Kameramann Uriel Sinai den Silbernen Hugo der Filmfestspiele in Chicago.
Auf der Aufnahmestation eines Krankenhauses machte die angehende Fachärztin zum ersten Mal Bekanntschaft mit der KZ-Nummer. Eben wollte Doron einer älteren Patientin den Blutdruck messen, als die sie fragte, ob sie wisse, was die Nummer bedeute. „Es fühlte sich für mich an, als habe sie etwas von der Asche von Auschwitz in sich“, erinnert sich Doron an das Erlebnis vor zwei Jahren.
Die jungen Leute in ihrem Film erklären übereinstimmend, dass sie sich aus Respekt und Sympathie für den Familienangehörigen, der den Holocaust überlebt hat, seine Nummer auf den Arm tätowieren ließen. Wohl wissend, dass sie damit das Gespräch provozieren.
„Geht es nicht anders?“, fragt eine Bloggerin, bei der der Gedanke an die KZ-Nummer auf dem Arm junger Juden „Unwohlsein“ auslöst, und ein anderer fragt, was wohl Elie Wiesel dazu sagen würde.
Der Friedensnobelpreisträger, der selbst Auschwitz überlebte, lehnte schon den Einsatz des Gelben Sterns zum Zweck der Erinnerung ab, weil damit „das Holocaust-Gedenken entweiht“ werde. Dana Doron, die sich sehr bewusst gibt „über den Missbrauch der Schoa aus politischen Gründen“, reizte genau diese Debatte an dem Thema. „All das zeigt doch nur, wie gebrandmarkt wir alle noch sind.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Pro und Contra Letzte Generation
Ist die Letzte Generation gescheitert?
Elon Musk torpediert Haushaltseinigung
Schützt die Demokratien vor den Superreichen!
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht macht BND für Irrtum verantwortlich
Studie zum Tempolimit
Es könnte so einfach sein
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?