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KOMMENTAR RANDALE IN HAMBURGBlind nach Schuldigen gesucht

Andreas Speit
Kommentar von Andreas Speit und Kai von Appen

Möchte Hamburgs Innensenator solche Krawalle zukünftig verhindern, sollte er nicht reflexhaft die Rote Flora attackieren - sondern genauer hinsehen. Und die Amüsiermeile schließen.

E s war nicht anders zu erwarten: Kaum haben die Kehrmaschinen den Müll im Hamburger Schanzenviertel beseitigt, meldet sich CDU-Innensenator Christoph Ahlhaus zu den Krawallen zu Wort: Die linksextremistische und autonome Szene sei es gewesen, die unter dem "Deckmantel" traditioneller Mai-Kundgebungen durch Angriffe und Gewaltexzesse gegenüber der Polizei mit Steinen und Brandsätzen ihre rechtsfreien Räume erkämpfen wolle.

Gerade wenn ein Innenpolitiker auch nur den Hauch von Kompetenz zur Schau zu stellen vorhat, empfiehlt es sich, umso genauer hinzuschauen. Sicher hat der eine oder andere Autonome bei den Krawallen am Abend des 1. Mai mitgemischt - kein Wunder, wenn die Wasserwerfer vor der eigenen Haustür hin- und herfahren. Doch zu verantworten hat die Krawallnacht das unpolitische Partyvolk.

Gewalt als Spaß-Kultur, ausgeübt von den so genannten ganz normalen Leuten - da stellt sich nicht erst jetzt die Frage: Was machen Lokalpolitiker aus dem Schanzenviertel? Welche frustrierten soziokulturellen Schichten werden durch Gentrifizierung und Schaffung von Ausgeh-Meilen angelockt?

Wenn der Innensenator solche Krawalle zukünftig verhindern möchte, sollte er nicht reflexhaft die Rote Flora attackieren. Sondern genau hinsehen - und konsequenterweise die Amüsier-Piazza schließen.

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Andreas Speit
Autor
Rechtsextremismusexperte, Jahrgang 1966. In der taz-Nord schreibt er seit 2005 die Kolumne „Der Rechte Rand“. Regelmäßig hält er Vorträge bei NGOs und staatlichen Trägern. Für die Veröffentlichungen wurde er 2007 Lokaljournalist des Jahres und erhielt den Preis des Medium Magazin, 2008 Mitpreisträger des "Grimme Online Award 2008" für das Zeit-Online-Portal "Störungsmelder" und 2012 Journalisten-Sonderpreis "TON ANGEBEN. Rechtsextremismus im Spiegel der Medien" des Deutschen Journalistenverbandes und des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt. Letzte Bücher: herausgegeben: Das Netzwerk der Identitären - Ideologie und Aktionen der Neuen Rechten (2018), Die Entkultivierung des Bürgertum (2019), mit Andrea Röpke: Völkische Landnahme -Alte Sippen, junge Siedler, rechte Ökos (2019) mit Jena-Philipp Baeck herausgegeben: Rechte EgoShooter - Von der virtuellen Hetzte zum Livestream-Attentat (2020), Verqueres Denken - Gefährliche Weltbilder in alternativen Milieus (2021).
Hamburg-Redakteur
Jahrgang 1956, Seit 1983 bei der taz – zuerst bei der taz.hamburg und jetzt bei der taz.nord in Hamburg. Ressorts: Polizei, Justiz, Betrieb und Gewerkschaft. Schwerpunkte: Repression, progressive Bewegungen und Widerstand gegen Gentrifizierung
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