KOMMENTAR RANDALE IN HAMBURG: Blind nach Schuldigen gesucht
Möchte Hamburgs Innensenator solche Krawalle zukünftig verhindern, sollte er nicht reflexhaft die Rote Flora attackieren - sondern genauer hinsehen. Und die Amüsiermeile schließen.
E s war nicht anders zu erwarten: Kaum haben die Kehrmaschinen den Müll im Hamburger Schanzenviertel beseitigt, meldet sich CDU-Innensenator Christoph Ahlhaus zu den Krawallen zu Wort: Die linksextremistische und autonome Szene sei es gewesen, die unter dem "Deckmantel" traditioneller Mai-Kundgebungen durch Angriffe und Gewaltexzesse gegenüber der Polizei mit Steinen und Brandsätzen ihre rechtsfreien Räume erkämpfen wolle.
Gerade wenn ein Innenpolitiker auch nur den Hauch von Kompetenz zur Schau zu stellen vorhat, empfiehlt es sich, umso genauer hinzuschauen. Sicher hat der eine oder andere Autonome bei den Krawallen am Abend des 1. Mai mitgemischt - kein Wunder, wenn die Wasserwerfer vor der eigenen Haustür hin- und herfahren. Doch zu verantworten hat die Krawallnacht das unpolitische Partyvolk.
Gewalt als Spaß-Kultur, ausgeübt von den so genannten ganz normalen Leuten - da stellt sich nicht erst jetzt die Frage: Was machen Lokalpolitiker aus dem Schanzenviertel? Welche frustrierten soziokulturellen Schichten werden durch Gentrifizierung und Schaffung von Ausgeh-Meilen angelockt?
Wenn der Innensenator solche Krawalle zukünftig verhindern möchte, sollte er nicht reflexhaft die Rote Flora attackieren. Sondern genau hinsehen - und konsequenterweise die Amüsier-Piazza schließen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!