piwik no script img

KOMMENTAR ACTANach dem Kampf ist vor dem Kampf

Tarik Ahmia
Kommentar von Tarik Ahmia

Ein Urheberrecht, das der digitalen Informationsgesellschaft dient, muss den technischen Wandel akzeptieren. Und nicht Menschen permanent drangsalieren.

D er Protest der europäischen Zivilgesellschaft gegen das internationale Antipiraterieabkommen ACTA stimmt hoffnungsvoll. Die Großdemonstrationen vom Wochenende sind ein starkes Signal einer noch immer politisch unterschätzten, überwiegend jungen Internetgeneration, die sich entschlossen und massenhaft gegen den Ausverkauf der Bewegungsfreiheit im Internet wehrt. ACTA ist ja nicht irgendein Handelsabkommen.

Der Vertrag soll die gesetzlichen Grundlagen dafür schaffen, Bürgerrechte einzuschränken, um einer überkommenen monopolistischen Rechteindustrie auf lange Sicht Profite zu sichern. Mit der europaweiten Solidarität im Rücken könnte Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) nun ernsthaft versuchen, ACTA zu stoppen.

Das Scheitern von ACTA wäre allerdings nur ein Etappensieg. Die Kritiker sollten sich daher nicht zu früh freuen. Längst laufen auf internationaler Ebene neue Geheimverhandlungen für ACTA-Nachfolger: "Trans-Pacific-Partnership" (TPP) heißt einer der bösen ACTA-Zwillinge, den die USA derzeit mit neun pazifischen Staaten vorbereiten.

Bild: privat
TARIK AHMIA

ist Autor der taz.

Ein geleakter TPP-Entwurf liest sich wie ein "Wünsch dir was" der Rechteindustrie. Er geht noch über die Grausamkeiten gegen Internetnutzer und Provider hinaus, die bei ACTA geplant, aber letztlich nicht durchsetzbar waren. TPP könnte so zur Blaupause für ein globales "ACTA plus" werden.

Den Geist zurück in die Flasche zwängen

Ob ACTA, TPP oder der in den USA kürzlich gescheiterte "Stop Online Piracy Act" (SOPA): All diese Initiativen sind letztlich Teil eines seit 20 Jahren anhaltenden Ringens von Pharma-, Industrie- und Medienkonzernen darum, den digitalen Geist des Computerzeitalters durch repressive Maßnahmen zurück in die Flasche zu zwängen.

Ein zukunftsfähiges Urheberrecht, das der digitalen Informationsgesellschaft dient, muss endlich den technischen Wandel akzeptieren. Anstatt Menschen permanent zu drangsalieren, wird dieses neue Urheberrecht den freien Informationsfluss aller Medien fördern.

Es wird nicht mehr dubiose "Rechteinhaber", sondern nur noch die tatsächlichen Schöpfer der Werke durch globale pauschale Abgaben entlohnen. Mit jedem Tag, den sich die BürgerInnen gegen ACTA und seine Nachfolger wehren, nähern wir uns diesem Zeitalter der befreiten Information.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • G
    Giraffe

    --> siehe 99%! Seine/Ihre Argumente sind wichtig! Gleiches Recht für alle bedeutet in diesem Zusammenhang, auch schleichend eingeführtes zu hinterfragen. Unter anderem die einseitige Berieselung mit Werbung und irgendwelchen "wir bezahlen damit tolle Sachen für Euch". Wie transparent ist das?

     

    Jeder gemeinnützige Verein muss sich vermutlich mehr in die Bücher schauen lassen als zB Facebook die behaupten mit Werbung den Service zu finanzieren. Wie ist da das Kosten/Nutzen-Verhältnis? Wenn es so "gemeinnütz" ist den User zu verkaufen, bekommt er wirklich alles an Online-Service den er für seine Daten haben kann? Ich befürchte nicht.

     

    Leider ist häufg der im Recht, der am lautesten jammert. In diesem Fall die Verwertungsindustrie. Wir müssen aufhören zu reparieren und selbst fordern was wir wollen. Datenschutzbrief, Freiheit statt Angst und zB Demokratiepflicht für Firmen mit bestimmtem Kunden/Angestellten-Verhältnis. :)

     

    Dank dem Internet ist ein Ende der selbstverschuldeten Unwissenheit in Sicht, volle Kraft vorraus!

  • P
    Paint.Black

    ...ist schon ganz schön heiß geworden:

    http://www.youtube.com/watch?v=Diq6TAtSECg

  • WR
    Weiße Rose

    Wir sollten verdammt aufpassen!

    Wenn die mächtigen, weltweit operierenden Kartelle es schaffen sollten - auch nur ansatzweise - Kontrolle übers Internet zu erlangen, ist es aus mit der geliebten Freiheit im www.

    Da unseren Volksvertretern nur mit größter Vorsicht über den Weg getraut werden kann - schließlich sitzt man zuhauf eben auch in den Aufsichtsräten dieser Kartelle und wird entsprechend gesetzgebend tätig - müssen alle Sinne in Alarmbereitschaft bleiben!

  • PD
    Prof. Ducer

    Hier geht es nicht im Geringsten um die Rechte an Einzelwerken. Das sind lediglich Scheingefechte. Noch viel weniger geht es um die "gerechte Entlohnung der Kreativen", wie die etwas einfältigeren unter den Mietmäulern und Speichelleckern noch immer gebetsmühlenartig wiederholen - an nichts wäre den Medienkartellen weniger gelegen.

    Es geht praktisch ausschliesslich um die Monopolisierung der Vertriebswege. Das Internet hat die klassischen Formen der Distribution weitgehend verdrängt, befindet sich aber nach wie vor nicht in den Händen oder unter Kontrolle der Medienmafia (sic! Metro-Goldwyn-Mayer, anyone?).

    Es wird solange wird keine Ruhe geben, bis entweder das Internet oder die Contentkartelle abgeschafft sind.

    Kleiner Tip: eines davon ist so notwendig wie eine Eiterbeule im Gesicht, das andere nutzen Sie gerade.

  • 9
    99%

    die von Dr. Franz Wiesmeier (siehe Kommentar) angesprochene zentrale Stelle besteht bereits, wird von uns bezahlt und wird in den Diskussionen selten erwähnt: Die Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO (Sitz in Genf)).

     

    Merkwürdigerweise wurden alle Verhandlungen (über TRIPPS / ACTA und auch für das hier genannte Trans-Pacific-Partnership" (TPP))ohne diese Organisation verhandelt. Deren Haltung scheint zwar ebenfalls antiquiert, aber zumindest sprechen da auch die Entwicklungsländer mit.

     

    Ich verstehe nicht, wieso wir uns dann diese Organisation leisten - das Geld könnte dann ja auch besser eingesetzt werden.

     

    "Den Geist des Internets zurück in die Flasche" bzw. das Bestreben, das Internet für sich (steuernd) zu beanspruchen ist eine Frechheit. Niemand hat die Industrie gebeten hier teilzunehmen (und unsere Daten zu sammeln, um uns dann mit Werbung zuzuspammen).

    Wenn denn also durch Abkommen und Gesetze die frei flottierenden Inhalte, die wir möchten, derart begrenzt werden sollen - muss im Gegenzug auch verhandelt werden, dass nichts an uns gesendet werden darf, was wir n i c h t möchten!

     

    Die Datensammel"leidenschaft" der Firmen kann offenbar nicht wirksam unterbunden werden. Das allerdings sollte dann zuerst geschehen (und dann sollte Firmen bei Zuwiderhandlung ebenfalls der Zugang zum Netz abgeklemmt werden!), wenn denn schon alles geregelt werden soll.

     

    Diese Ungleichbehandlung - und diese auch noch per Gesetz - muss unterbunden werden!

    Wieso sollte meine Aufmerksamkeit und Zeit weniger schützenwert sein, als irgendjemandes Verwertungsrechte?

     

    By the way: Wieso darf mir eigentlich im öffentlichen Raum überall Werbespam um die Ohren gehauen werden?

    Wo bleiben da m e i n e Rechte?

     

    Und dann: Wenn denn die logische Konsequenz aus der Werbeflut ist, Inhalte sehen zu wollen - sich dies aber z.B. nicht leisten zu können - und z.B. Jugendliche in der Folge Gefahr laufen, kriminalisiert zu werden, muss eine Werbeeinschränkung bzw. -verbot für diese Inhalte folgen, wie bei Alkohol und Zigaretten!

    Das ist dann nur logisch!

     

    Also, Unterhaltungsindustrie: Wähle!

  • A
    Auweia

    Wunderbar, wenn es diese Rechteinhaber nicht mehr gibt. Dann kann man die taz-Redaktion ja getrost zur Suppenküche umwandeln. Plant die taz eigentlich ein eigenes Jugendmagazin oder war der Kommentar ursprünglich für die Bravo vorgesehen?

  • B
    Bea

    Sie schreiben:

     

    "Es wird nicht mehr dubiose "Rechteinhaber", sondern nur noch die tatsächlichen Schöpfer der Werke durch globale pauschale Abgaben entlohnen. Mit jedem Tag, den sich die BürgerInnen gegen ACTA und seine Nachfolger wehren, nähern wir uns diesem Zeitalter der befreiten Information."

     

    Das scheint mir übertrieben optimistisch zu sein.

     

     

    Existenzwichtig für AutorInnen u.a. UrheberInnen ist, dass Ihre Werke so bezahlt werden, dass sie davon leben können. Bei freien JournalistInnen kann davon leider nur in den seltensten Fällen die Rede sein.

     

    - Was sagt Herr Ahmia dazu? Das Problem müssten Sie doch selbst kennen?! Die taz zahlt ja wohl auch noch besonders wenig Zeilengeld für ihre UrheberInnen, die AutorInnen, oder?

     

    Ich finde die angemessene Bezahlung der UrheberInnen müsste in der Diskussion eine viel stärkere Rolle spielen. es gibt schließlich ein riesiges intellektuelles/künstlerisches Prekariat in Deutschland.

  • DF
    Dr. Franz Wiesmeier

    Acta und deren Nachfolger (Salamitaktik) müssen erkannt und gestoppt werden. Im Endeffekt sollten alle Informationen von einer zentralen Stelle aus kontrolliert undgesteuert werden. Dies wäre für jedes Individuum schlecht und gefährlich!!