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Jusos in Berlin„Ich habe eine junge Sprache“

Die Landeschefin der Jusos, Annika Klose, kandidiert für das Europaparlament. Damit stößt die 25-Jährige innerhalb der SPD nicht nur auf Gegenliebe.

„Ich weiß, was junge Menschen bewegt“, sagt die Berliner Juso-Chefin Annika Klose Foto: Wolfgang Borrs
Interview von Daniel Stoecker

taz: Frau Klose, Sie sind im März als Juso-Landeschefin wiedergewählt worden. ­Warum wollen Sie jetzt für das Euro­päische Parlament kandidieren?

Annika Klose: Ich glaube, das passt gut zusammen. Als Jusos haben wir in den letzten Monaten intensiv diskutiert, welche Richtung die SPD einschlagen soll. In der Großen Koalition auf Bundesebene wird die Erneuerung wohl kaum stattfinden. Die Herausforderung ist, die Partei auf allen Ebenen aufzuräumen. Das Europäische Parlament ist da ein wichtiger Eckpfeiler.

Wieso ist das Europäische Parlament wichtig für die Erneuerung der SPD?

Wenn man die Sozialdemokratie erneuern will, weg vom Neoliberalismus der letzten Jahrzehnte, muss man das im europäischen Kontext denken. Unsere Schwesterparteien in Europa stehen ja nicht besser da. Das zeigt, die Sozialdemokratie ist nicht nur in Deutschland in der Krise, sondern europaweit. Ich sehe die Möglichkeit, über die Kandidatur und über ein Mandat im Europäischen Parlament Druck aufzubauen, auch auf die SPD hier auf Bundesebene.

Im Interview: 

Annika Klose ist seit 2015 Landesvor­sitzende der Jusos und aktuell Gewerkschaftssekretärin beim DGB. Die gebürtige Dortmunderin studiert Sozialwissenschaften im Master an der Humboldt-Universität

Dort ist die SPD aber aktuell Teil der Bundesregierung, steht also für ebendiese von Ihnen kritisierte Europapolitik. Wie wollen Sie Reformen auf europäischer Ebene anregen, ohne dabei vor allem Politik gegen die eigene Partei zu machen?

Das ist tatsächlich ein Spagat, den wir da machen müssen. Zum einen ist die SPD Teil der Bundesregierung, zum anderen war eine Neuausrichtung Konsens, selbst unter denjenigen, die für den Verbleib in der Großen Koalition waren. Es ist die Aufgabe der Jusos und aller, denen diese Partei am Herzen liegt, jetzt nicht aus Parteiräson den Mund zu halten, sondern die Veränderung auch einzufordern.

Europaabgeordnete sind oft unbekannter und medial weniger präsent. Wird man aus Straßburg hier noch gehört?

Es ist schwierig, bei 42 Sitzungswochen hier dauerhaft präsent zu sein. Aber es gibt auch Beispiele, wo das gut funktioniert. Gerade junge Abgeordnete wie Ska Keller von den Grünen oder Tiemo Wölken von der SPD schaffen es, einen ganz anderen Zugang zur EU zu bieten. Was die machen und was ich mir auch vornehmen würde, ist, die sozialen Medien besser zu nutzen, um die Brücke zu jungen Menschen zu schlagen.

Sie selbst sind 25 Jahre alt. Was erwartet die Generation U30 von Europa?

Ich glaube, dass viele Leute in meinem Alter Europa und die europäische Integration als selbstverständlich sehen. Wir haben das ja nie anders erlebt. Deswegen war der Brexit auch ein ziemlicher Schock, der gerade meine Generation hart getroffen und viele wach gerüttelt hat. Ich glaube, die Erwartungshaltung ist, dass man nicht zurückfällt in nationalstaatliches Klein-Klein, sondern wirkliche Integration schafft. Das heißt, ich kann da arbeiten und leben, wo ich möchte, und es spielt keine Rolle mehr, wo ich herkomme.

Ihre Altersklasse ist im Parlament kaum vertreten. Sie würden sicherlich zu den Jüngsten in Straßburg gehören. Ist das ein Vorteil?

Ja, für die EU und das Parlament ist es ein Vorteil, weil ich ein Sprachrohr bin. Ich habe eine junge Sprache, ein junges Auftreten. Ich bin eine junge Frau, das kommt mit allen Vor- und Nachteilen. Ein Vorteil ist: Ich kann das, was in Europa passiert, so vermitteln, dass es auch Leute in meinem Alter oder jünger verstehen, weil ich nicht schon zwanzig Jahre in diesem Apparat sitze, sondern weiß, was die jungen Leute bewegt.

Die jungen Anliegen zu kennen ist das eine. Wie schwer ist es, sich als junge Politikerin gegen die alten durchzusetzen?

Mir ist bewusst, dass das eine Mammutaufgabe ist. Ich bin schon seit einigen Jahren in der SPD und in einem Beruf tätig, der nicht gerade überlaufen ist von jungen Leuten. Politik, das sind immer noch vor allem alte Männer. Ich habe gelernt, trotzdem kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Und ich glaube, ich schätze es schon realistisch ein, dass ich nicht im Europäischen Parlament ganz allein die Welt verändere. Aber es geht auch nicht darum, das allein tun zu müssen, sondern Verbündete zu suchen und eine Bewegung loszutreten.

Mit der NoGroKo-Kam­pagne haben Sie und die Jusos bereits eine Bewegung losgetreten. Wird eine junge, kritische ­Politikerin wie Sie jetzt nicht dringender hier gebraucht?

Ich glaube, wir werden gerade überall dringend gebraucht.

Glauben Sie nicht, dass Sie eine große Lücke in den Reihen der Jusos hinterlassen würden?

Mein Ziel ist, dass das nicht so ist. Ich will mich hier weiterhin einmischen, weiß aber auch, dass ich einen unglaublich starken, selbstbewussten Verband hinter mir habe mit Leuten, die wirklich was können. Klar gab es Sprachrohre in der NoGroKo-Kampagne, Kevin Kühnert, mich und noch viele andere. Aber wir konnten das nur so lostreten, weil wir die Leute in den Gliederungen vor Ort haben. Wenn das alles nur an wenigen Personen hängen würde, dann hätte diese Bewegung keine Zukunft.

Gerade in Sachen Erneuerung scheinen sich die Berliner SPD und die Berliner Jusos nicht immer einig zu sein.

Es ist klar, dass es auf Widerstand stößt, wenn man Dinge umwerfen will, die bislang für einige gut funktioniert haben. Die Erneuerung der Partei kriegt man nicht geschenkt, das ist immer ein Kampf mit etablierten Strukturen, die für einige Menschen sehr nützlich sind. Ich glaube, die Berliner SPD ist inhaltlich dem Bundesverband in manchen Punkten durchaus schon voraus. Trotzdem: Konfliktfrei funktioniert das nie. Und auch meine Kandidatur stößt auch nicht nur auf Gegenliebe in der Partei.

Inwiefern?

Die Kritik, die ich am meisten höre, ist der Spruch: „Kreissaal, Hörsaal, Plenarsaal“. Also der Vorwurf, sehr schnell in Funktionen kommen zu wollen, und dass man doch erst einmal Parteipolitik auf anderer Ebene machen und sich ökonomische Unabhängigkeit aufbauen sollte. Da sage ich: Ich habe einen Studienabschluss, ich arbeite in Vollzeit und wenn die Legislatur vorbei ist, bin ich 31. Da stehen mir alle Türen der Welt offen.

Damit es zu der Legislatur überhaupt kommt, müssen Sie auf dem Landesparteitag erst einmal für den Berliner Listenplatz nominiert werden. Für wie aussichtsreich halten Sie Ihre Kandidatur?

Ich glaube, ich habe schon sehr gute Chancen. Ich habe die Jusos hinter mir, die AG Migration hat mich nominiert, der größte Kreisverband der SPD in Berlin, die SPD Mitte, hat mich nominiert und unterstützt mich. Ich glaube, es wird auf die Frage hinauslaufen, ob die Partei den Mut hat, auch mal wirklich was Neues zu wagen und einer jungen Frau, die mit neuen Ideen und Perspektiven antritt, die Chance zu geben, etwas zu verändern, oder ob man eher in altbekannten Mustern bleibt.

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2 Kommentare

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  • Wieso müssen die Leute eigentlich immer „meine Generation“ sagen? Wann hat es denn jemals DIE eine Generation gegeben? Gab es nicht immer – und zwar in allen Generationen – Privilegierte und Nichtprivilegierte?

     

    Wer nichts geerbt hat, der war immer schon (vergleichsweise) arm dran. Und wer aus einem „bildungsfernen“ Elternhaus kam, war meistens selber „bildungsfern“. In sofern erleben wir gerade nicht mehr und nicht weniger als eine Rückkehr in die „gute alte Zeit“. Im Grunde war das zu erwarten nach 1989.

     

    Mag ja sein, dass „viele Leute“ im Alter Annika Kloses „Europa und die europäische Integration als selbstverständlich sehen“. Zu viele andere allerdings tun das nicht. Sie haben etwas völlig anderes erlebt als die Berliner Juso-Chefin und sie tun das noch. Anschluss zu finden an die „Oberen Zehntausend“ und ihre „Follower“ ist für eine ganze Menge Leute um die 25 nicht einmal ein Traum.

     

    Wer nicht dem „richtigen Stall“ entsprungen ist, der tut sich schwer mit solchen Träumen. (Zu) Viele Leute wollen noch gar nicht „da arbeiten und leben, wo [sie] möchte[n]“. Sie wollen zunächst erst einmal da arbeiten und leben, wo sie geboren sind. Die wünschen sich tatsächlich, dass es „keine Rolle mehr [spielt]“, wo man gerade herkommt. Allerdings vor allem für sich selber.

     

    Klar, man kann die mental, materiell und emotional Zurückgebliebenen tapfer ignorieren und sich in seinem Generationen-Kokon einspinnen. Auch als 25-jährige. Zumindest in der Politik und ganz besonders in der SPD. Aber dann darf man sich nicht wundern, wenn andere die Leute da abholen, wo sie gerade sind: Tief drin in ihrem Selbstmitleid.

     

    Annika Kloses will „Sprachrohr“ ihresgleichen sein. Dass sie gut zu tun hat damit, sich gegen die alten Säcke in der Partei durchzusetzen, glaube ich ihr. Auch wenn sie keine andere Politik macht. Gerade dann. „Überall dringend gebraucht“ wird sie bestimmt. Wenn auch womöglich nicht von allen.

  • "Als Jusos haben wir in den letzten Monaten intensiv diskutiert ..." Junge Sprache? LOL.