Juristischer Kniff: Bremer Hafen wird atomarme Zone
Rot-Grün will die Bremer Häfen für Brennelemente-Transporte sperren. Gesetz wird am Mittwoch in die Bürgerschaft eingebracht. Der Linken geht das Verbot nicht weit genug: Sie setzt auf ein Volksbegehren.
BREMEN taz | Die Häfen von Bremen und Bremerhaven sollen in Zukunft nicht mehr zum Transport atomarer Brennstoffe zur Verfügung stehen. Einen entsprechenden Antrag wird am heutigen Mittwoch die rot-grüne Koalition in die Bremische Bürgerschaft einbringen und in erster Lesung absegnen. Nach weiterer Beratung im Hafenausschuss soll das Atomverbot dann Mitte Dezember in zweiter Bürgerschaftslesung endgültig beschlossen werden und schließlich zu Beginn des neuen Jahres in Kraft treten.
Bislang war ein solches Verbot des Atomtransports stets an rechtlichen Bedenken gescheitert. Auch in Hamburg wurde über eine atomfreie Hafenzone mehrfach diskutiert, in Lübeck ein Atomverbot sogar bereits von der dortigen Bürgerschaft verabschiedet, aber nie angewendet. Stets kamen die Politiker der Hafenstädte zu der Auffassung, dass ein solches lokales Atomtransportverbot der Bundesgesetzgebung widerspräche und somit vor den Gerichten keinen Bestand haben könne.
Die rot-grünen Bremer Koalitionäre kommen nun, gestützt durch ein neues, vom Senat in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten zu einem anderen Schluss. Nach der rund hundertseitigen Expertise der Berliner Kanzlei Gaßner, Groth, Siederer & Coll kann durch eine Änderung des Hafenbetriebsgesetzes ein Umschlagsverbot für Kernbrennstoffe festgeschrieben werden.
Danach werden die Häfen definiert als "Teil der bremischen Gesamtwirtschaft, die auf Nachhaltigkeit und erneuerbare Energien ausgerichtet ist". Aufgrund dieser Zweckbindung wird der Transport von atomaren Brennstoffen untersagt. Ein Kniff, so glauben die Juristen, gegen den auch mit Bundesrecht nicht anzukommen ist.
"Dieses Gesetz ist auch auf andere Häfen übertragbar, es gibt keine Bremen-Spezifika, die das verhindern", sagt SPD-Fraktionssprecher André Städler. Aus Lübeck gebe es bereits Signale, auf Grundlage der Bremer Erkenntnisse ebenfalls einen neuen Anlauf zu starten, das längst beschlossene maritime Transportverbot nun auch in die Praxis umzusetzen.
Sicher scheint auch, dass nach dem Bremer Beschluss auch in Hamburg die Diskussion über die atomaren Frachten des Großhafens neu entfacht werden wird - sollte der SPD-Senat nicht anbeißen, dürften GAL und Linkspartei versuchen, ihn in dieser Frage vor sich her zu treiben.
Der Fraktion der Bremer Linken geht die rot-grüne Gesetzesinitiative allerdings nicht weit genug. Ihr Abgeordneter Klaus-Rainer Rupp kritisierte gegenüber der taz, "dass schätzungsweise die Hälfte aller Atomtransporte über die Häfen Bremen und Bremerhaven von der rot-grünen Regelung überhaupt nicht erfasst" werde. Im Gegensatz zu atomaren Brennelementen blieben Stoffe, "die zu ihrer Herstellung benötigt würden oder als Abfallprodukte ihrer Herstellung und Nutzung anfallen" - wie das hochgiftige Uranhexafluorid - in der Gesetzesnovelle außen vor.
Die Linke wird deshalb einen entsprechenden Änderungsantrag in die Bürgerschaft einbringen, den die SPD laut Beschluss ihrer Fraktion ebenfalls in den zuständigen Ausschuss überweisen will. Besteht die Linkspartei jedoch auf Abstimmung, werden die Sozialdemokraten den Antrag aller Voraussicht nach ablehnen.
"Wir betreten hier juristisches Neuland und rechnen mit Gegenwind und Klagen", erklärt der umweltpolitische Sprecher der SPD, Arno Gottschalk, und betont dabei das taktische Moment des Antrags: Um wenig juristische Angriffsfläche zu bieten, sei es wichtig, nicht alles, was vielleicht wünschenswert sei, in die Gesetzesänderung hinein zu formulieren, "sondern den Gegenstand des Verbots eng zu fokussieren".
Kommt es zu keiner Einigung zwischen rot-grüner Regierung und knallroter Opposition, bleibt das von der Linken angekündigte Volksbegehren zu einem umfassenden Transportverbot weiter auf der politischen Tagesordnung. In den kommenden Wochen will man gemeinsam mit zahlreichen lokalen Anti-Atominitiativen sollen die Vorbereitungen dafür ins Rollen bringen und das Sammeln der notwendigen Unterschriften organisieren. Geplant ist, die endgültige Volksabstimmung parallel zu den Bundestagswahlen im Herbst 2013 anzusetzen.
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