Juristischer Hintergrund zu Themar: Die Crux mit der Versammlung
Das Grundgesetz schützt den, der mit einer Veranstaltung auf die öffentliche Meinungsbildung abzielt. Laut Gericht galt das auch für das Nazi-Konzert.
Das Bundesverfassungsgericht legt den Begriff der „Versammlung“ eher eng aus. Das Demonstrationsrecht gelte für eine Versammlung nur, wenn die Teilnehmer politische Forderungen stellen und so an der öffentlichen Meinungsbildung teilnehmen. Es genügt nicht, mittels Musik und Tanz das Lebensgefühl einer jugendlichen Subkultur auszudrücken, entschied das Bundesverfassungsgericht 2001 im Fall der Berliner Love Parade.
Nun kann man dem Rechtsrock-Festival in Themar nicht absprechen, dass es um politische Inhalte ging. „Rock gegen Überfremdung – Identität und Kultur bewahren“ sind klare rechtsradikale Aussagen. Sowohl das Landratsamt Hildburghausen als auch der Veranstalter gingen daher von einer „gemischten Veranstaltung“ aus, die teils politische Versammlung, teils kommerzielle Vergnügung ist. Umstritten war nur, was überwiegt. Für die Behörde stand das Vergnügen und der Kommerz im Vordergrund, für die Veranstalter die politische Botschaft.
Präzedenzfall „Fuckparade“
Ein Präzedenzfall, den das Bundesverwaltungsgericht 2005 entscheiden musste, war die Berliner „Fuckparade“, eine Anti-Parade zur kommerziellen Love Parade. Die Leipziger Richter akzeptierten, dass es sich um eine politische Versammlung handelt. Die Rolle der Teilnehmer beschränke sich nicht auf das Musikhören und Tanzen. Vielmehr gehe es auch um Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung. Die Kritik der Veranstalter an Schließung von Clubs und Auflösung von Partys sei auf Handzetteln und auf Transparenten verbreitet worden. Im Zweifel sei eine gemischte Veranstaltung als „Versammlung“ einzustufen.
Dem folgten nun auch die Verwaltungsgerichte in Thüringen. Beim „Rock gegen Überfremdung“-Festival seien 12 bis 13 Redner mit Beiträgen von 15 bis 30 Minuten angekündigt gewesen. Auch die Konzerte von sieben Bands stünden im Zusammenhang mit dem Veranstaltungsmotto. Sie befassten sich mit Fragen der „nationalen Identität“ und richteten sich gegen Ausländer, Muslime und die USA. Am „Verkaufstand“ würden ausschließlich szenetypische Waren und „Devotionalien“ verkauft. Dass für das Festival ein Eintrittsgeld von 35 Euro verlangt wurde, ändere nichts am politischen Charakter des Festivals. (Az.: 2 E 221/17)
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