Jurist über Edathy-Prozess: „Ein rechtswidriges Angebot“
Matthias Jahn, Professor für Strafrecht aus Frankfurt, kritisiert das Vorgehen im Fall Edathy. Eine Einstellung mit Geständnisforderung sei unzulässig.
taz: Beim Landgericht Verden wird derzeit gegen den Ex-Abgeordneten Sebastian Edathy wegen Besitz von Kinderpornografie verhandelt. Es wird diskutiert, ob das Verfahren gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt wird. Ist das ein geeigneter Fall?
Matthias Jahn: Die Einstellung gegen Auflage ist in der Strafprozessordnung geregelt, Paragraf 153a. Sie ist möglich, wenn durch Auflagen „das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung“ beseitigt wird und „die Schwere der Schuld nicht entgegensteht“. Davon macht die Justiz in Deutschland hunderttausendfach pro Jahr Gebrauch. Da es im Fall Edathy laut Gericht allenfalls um eine Geldstrafe im vierstelligen Bereich geht, kommt eine Einstellung gegen Auflage ernsthaft in Betracht.
Die Staatsanwaltschaft verlangt neben einer Geldauflage auch ein Geständnis von Edathy. Ist das zulässig?
Nein, das ist gesetzlich nicht vorgesehen und daher unzulässig. Die Einstellung ist zwar kein Freispruch, der Angeklagte wird dabei aber auch nicht verurteilt und darf sich als „unschuldig“ bezeichnen. Hier ein Geständnis zu verlangen, ist systemwidrig.
Ist das nur Ihre Meinung?
Nein, das ist die allgemeine Meinung in der Strafrechtswissenschaft. Auch führende Kommentare zur Strafprozessordnung halten es für unzulässig, wenn bei der Verfahrenseinstellung ein Geständnis verlangt wird.
Auch bei Exbundespräsident Christian Wulff verlangte die Staatsanwaltschaft als Voraussetzung für die Einstellung ein Geständnis. Ist das eine niedersächsische Besonderheit?
Nein, diese Unsitte ist leider weit verbreitet und wird von Staatsanwaltschaften in ganz Deutschland praktiziert, vor allem dann, wenn die Einstellung erst nach Anklageerhebung angeboten wird.
Jahrgang 1968, ist Professor für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Goethe-Universität Frankfurt a. M. und Richter am dortigen Oberlandesgericht.
Warum machen die Staatsanwaltschaften das?
Ich vermute, dass hier die strengen Anforderungen des Gesetzes zur Urteilsabsprache im Strafverfahren umgangen werden sollen. Dort wird dem Angeklagten als Gegenleistung für sein Geständnis eine mildere Strafe in Aussicht gestellt. Das Bundesverfassungsgericht verlangt aber umfassende Transparenz dieser Verständigung. Man kann den Verdacht haben, dass die Staatsanwaltschaft in Fällen à la Edathy zwar wie bei einer förmlichen Absprache ein Geständnis verlangt, aber die Transparenz vermeiden will, indem das Ganze als Einstellung des Verfahrens deklariert wird.
Es muss aber ein geeigneter Fall sein …
Natürlich. Bei einem Verbrechen ist eine Einstellung gegen Auflagen nicht möglich. Aber bei Edathy geht es wohl nur um ein minderschweres Vergehen.
Muss Edathy sich auf die Bedingung der Staatsanwaltschaft einlassen?
Nein. Er kann eine Verfahrenseinstellung gegen Auflagen ablehnen, wenn er mit den Bedingungen nicht einverstanden ist. Er kann dann wie Christian Wulff um einen Freispruch kämpfen. Umgekehrt hat Edathy aber auch keinen Anspruch darauf, dass die Staatsanwaltschaft einer Verfahrenseinstellung ohne Geständnis zustimmt. Ich sehe auch kein Rechtsmittel, um gegen das rechtswidrige Angebot der Staatsanwaltschaft vorgehen zu können.
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