Jugendstrafrecht-Kampagne: Migranten empört über Koch
Der Zentralrat der Muslime wirft Hessens Landeschef Koch vor, mit seinen jüngsten Forderungen Rechtsradikalismus zu stärken. Kritik kommt auch aus der CDU.
WIESBADEN taz Vor der Klausur des CDU-Bundesvorstands in der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden regte sich am Freitag Kritik an der Forderung des dortigen Ministerpräsidenten Roland Koch nach einer Verschärfung des Jugendstrafrechts. "Kuschelpädagogik", wie von Koch moniert, werde im Jugendstrafrecht ganz bestimmt nicht praktiziert, sagte der nordrhein-westfälische Integrationsminister Armin Laschet (CDU). Wer nur härtere Strafen fordere und nicht über die Schaffung von Perspektiven für benachteiligte Jugendliche reden wolle, handele "nicht sachdienlich". Auf ihrer Klausurtagung will die CDU am heutigen Samstag ein Konzept gegen Jugendkriminalität beschließen.
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte zunächst gesagt, der Kampf gegen Jugendkriminalität sei "gar nicht so sehr eine Frage der Verschärfung von Gesetzen". Wenig später ließ er jedoch erklären, er unterstütze eine Verschärfung des Jugendstrafrechts.
Mit seinen Äußerungen bringt Koch nun auch die Muslime gegen sich auf. Mit seinem populistischen Wahlkampf fische Koch nicht nur am rechten Rand, sondern sorge auch dafür, dass der Rechtsradikalismus stärker werde, sagte der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Ayyub Axel Köhler.
Für den Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte Hessen (AGAH), Yilmaz Memisoglu, hat Koch mit seinen Einlassungen "eine Schmerzgrenze überschritten". Die von Koch zitierten "Hausschlachtungen in Wohnküchen" habe er noch nie gesehen, sagte Memisoglu gestern vor der Presse in Wiesbaden. Er habe allerdings gehört, dass Hausschlachtungen bei Deutschen nach dem Krieg "durchaus üblich" gewesen seien. Integration erreiche man nicht durch "mehr oder minder offene Hetze", sondern nur durch harte Arbeit.
Dem "verbalen Zündeln" von Koch begegnet die AGAH jetzt mit einem Aktionsprogramm für eine "effiziente Integrationspolitik". Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Integration und auch Gewaltprävention sei ein Paradigmenwechsel in der Schul- und Bildungspolitik, heißt es darin. Es könne von der Gesellschaft nicht länger hingenommen werden, dass in Hessen fast jeder fünfte Schüler mit Migrationshintergrund keinen Schulabschluss vorweisen könne und 35 Prozent aller ausländischen Jugendlichen unter 25 Jahren ohne Berufsausbildung blieben. Um das zu ändern, seien gezielte Förderstrategien zu entwickeln. Eine gute Ausbildung könne dann auch dazu beitragen, den Zugewanderten den Zugang zu qualifizierteren Arbeitsplätzen zu erleichtern.
Die SPD-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl am 27. Januar, Andrea Ypsilanti, warf Koch vor, "Politik mit Angst und Diffamierungen" zu betreiben. Mit Blick auch auf den jetzt von der Bild-Zeitung veröffentlichten "Anstandskatalog" des Hessischen Ministerpräsidenten sprach der hessische SPD-Generalsekretär Norbert Schmitt gar von der Verbreitung einer "Pogromstimmung".
Auch Kirchensprecher gaben Stellungnahmen gegen Kochs Thesen ab. Der sozialpolitische Vorstand des Diakonischen Werks, Bernd Schlüter, bezeichnete Kochs "Anstandskatalog" als "unanständig". Damit könne "erheblicher gesellschaftlicher Schaden" angerichtet werden. Koch habe für seine Pauschalisierungen "haarsträubende Beispiele" herangezogen.
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