Jugendliche und Polizeimethoden: Fortschritte beim Fingerabdruck-Orakel
Forscher an der Uni Göttingen haben ein Verfahren entwickelt, um das Wachstum von Fingerabdrücken präziser vorauszusagen. Das Bundeskriminalamt frohlockt.
GÖTTINGEN taz | Die Fingerabdrücke von mehr als fünf Millionen Menschen hat das Bundeskriminalamt (BKA) in seinem "Automatischen Fingerabdruck-Identifikationssystem (AFIS) gespeichert. Die Datenbank gilt als Mittel der Wahl bei den Ermittlungen. Einziges Manko aus Sicht der Polizei: Fingerabdrücke verändern sich im Laufe eines Lebens. Die BKA-Software hatte bisher Probleme, die Abdrücke eines Menschen im Jugend- und Erwachsenenalter als dieselben zu erkennen.
Künftig kann das Wachstum von Fingerabdrücken viel präziser als bisher vorhergesagt werden. Denn Forscher der Uni Göttingen haben gemeinsam mit BKA-Experten die Gesetzmäßigkeiten für dieses Wachstum ermittelt. Die Fingerabdrücke von Jugendlichen wachsen demnach gleichmäßig und proportional zur Körpergröße.
Zunächst wurde untersucht, ob Fingerabdrücke in alle Richtungen gleichmäßig wachsen. "Das war nicht von vornherein klar, da menschliche Knochen in der Regel verstärkt in die Länge wachsen, also schmaler werden", sagt der Göttinger Statistiker Thomas Hotz.
Fingerabdrücke wachsen proportional zum Körper
Anschließend wurde der Faktor bestimmt, um den ein Finger sich vergrößert. Dabei zeigte sich, dass Fingerabdrücke im Wesentlichen proportional zur Körpergröße wachsen. "Wir können ihr Wachstum also mithilfe von Wachstumstabellen für Mädchen und Jungen vorhersagen", erklärt der Informatiker Carsten Gottschlich.
Die neuen Erkenntnisse haben sich bereits im Praxistest bewährt. Das BKA überprüfte 48 Fingerabdrücke in seiner Datenbank. Die alte Software konnte in 38 Fällen den entsprechenden Abdruck des Jugendlichen zuordnen, die neue Methode schaffte 47.
"Mithilfe dieser Methode wird unser System im Umgang mit den Abdrücken Jugendlicher noch besser werden. Die gemeinsame Anstrengung hat sich gelohnt", so BKA-Abteilungsleiter Michael Hantschel. Und Professor Axel Munk, der Koordinator an der Uni, meint, dies sei ein "perfektes Beispiel für die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Praxis".
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