Jugendhilfe-Träger laufen Sturm

Pädagog:innen boykottieren Tagung der Sozialbehörde über linke Militanz. Sie wollen Klientel nicht ausforschen

Das eigentliche Problem sehen die Sozialarbeiter:innen rechts

Von Hagen Gersie

Für die Sozialbehörde ist Linksextremismus offenbar ein vordringliches Problem. Zumindest suggeriert das ihre Anfang ­Februar stattfindende Fachkräfte-Tagung „Linke Militanz – Bedarfe und Möglichkeiten der Offenen Kinder- und Jugendarbeit“. Die ist jetzt unter Beschuss vom Hamburger Bündnis gegen Rechts und der Interessenvertretung Offene Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Familien (IVOA) geraten.

„In Zeiten von Lübcke, Hanau, Halle haben wir andere Probleme, als uns mit Linksextremismus zu beschäftigen“, sagt IVOA-Sprecherin Svenja Fischbach. Ein Großteil der Fachkräfte der IVOA werde laut Fischbach nicht an der Tagung teilnehmen. Die Sozialbehörde wollte sich zur Kritik nicht äußern.

Beide Organisationen stören sich auch an den Fragebögen, die die Behörde im April 2020 an die rund 150 Einrichtungen der offenen Kinder- und Jugendarbeit verschickt hat und die die Basis der Tagung sein sollen. Erstmals wird darin auch nach einer „linksradikalen“ Ausrichtung der Jugendlichen gefragt, die die Einrichtungen besuchen. 2014 und 2017 wurde nur nach rechtsradikaler, „fundamentaler konfrontativer islamischer“ oder menschenfeindlicher Ausrichtung gefragt. Die neue Frage ist in Folge der Ausschreitungen um den G20-Gipfel 2017 hinzugekommen. Die IVOA verurteilt die Gleichsetzung von Rechts- und Linksextremismus, die damit betrieben werde. Die taz nord hatte bereits Anfang Januar über den Unmut über die Fragebögen und die Fachtagung berichtet.

Die IVOA, deren Stellungnahme über 120 Einrichtungen, Träger und Einzelpersonen unterschrieben haben, sieht die Fragebögen als Versuch, So­zi­al­ar­bei­te­r:in­nen für politische Zwecke zu instrumentalisieren. Das würde die Grundlagen der offenen Arbeit „torpedieren“. Darum weigert sich die IVOA, Präventionsarbeit, wie sie die Sozialbehörde fordert, zu leisten. In der offenen Arbeit gehe es um Beziehungsarbeit. ­So­zi­al­ar­bei­te­r:in­nen wollten Verständnis für die Kinder und Jugendlichen entwickeln. Ein „präventiver Blick“ stelle sie unter Generalverdacht.

Statt die Fachkräfte dazu aufzufordern, das Vertrauen der Jugendlichen zu missbrauchen, solle die Sozialbehörde anerkennen, dass diese häufig selbst rassistischen, sexistischen und homophoben Angriffen ausgesetzt seien, fordert die IVOA. Es müsse darum gehen, strukturelle soziale Ungleichheiten wahrzunehmen, die das Leben der Jugendlichen prägen, sagt Fischbach. Während der Coronapandemie hätten diese zugenommen. Diesen Herausforderungen müsse sich die offene Arbeit stellen. An einer Fachtgung zu solchen wirklich drängenden Themen würden die IVOA-Mitglieder gern teilnehmen.