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Jugendhilfe-ImmobilieEin Heim für böse Jungs

Eine ungastliche Unterkunft am Hamburger Bullerdeich wird nicht mehr für junge Geflüchtete benötigt. Jetzt soll sie zum Kurzzeit-Heim für Jugendliche mit „deviantem“ Verhalten werden.

Noch verwaist: In die Container hinter dem Zaun sollen bis zu zehn Jugendliche einziehen. Foto: Andreas Kiesselbach

Hamburg taz | „Die Einrichtung geben wir nicht wieder her“, sagte Klaus-Dieter Müller, der Chef des Landesbetriebs Erziehung (LEB), als die taz ihn vor zwei Jahren zum Bullerdeich interviewte. Doch seit April steht der ehemalige Recylinghof im Stadtteil Hammberbrook wieder leer. Die zehn grauen Container, die bis zu 20 jungen Geflüchteten als Schlafraum dienten, stehen verwaist da, ebenso das Haupthaus und eine Pförtnerloge. Und auf dem Schreibtisch der Bezirkspolitiker in Hamburg-Mitte liegt ein Antrag von Müller.

Der LEB will die Einrichtung einer neuen Nutzung zuführen: Die Zielgruppe der „devianten“ – laut Duden „von der Norm sozialen Verhaltens abweichend“ – jungen Ausländer ist nicht mehr da. Doch der LEB betreibt auch den Jugendnotdienst und sieht eine neue Zielgruppe. Jungen zwischen 14 und 17 Jahren, die weder bei ihren Familien noch in Einrichtungen betreut werden könnten.

Ins Haus nur bei gutem Betragen

Der Bullerdeich war damals kein geschlossenes Heim. Jedoch sah das Konzept vor, dass Jugendliche nur ins Haupthaus durften, wenn sie Regeln einhielten. Wer das nicht tat, verbrachte den Tag im Container auf dem Hof – oder draußen. Nur im Haupthaus gab es Gemeinschaft und Freizeitangebote.

Müller sagte damals, man habe junge Geflüchtete aus Erst­einrichtungen teils nur tageweise dort. „Die machen zwei Tage Auszeit am Bullerdeich und sagen: Ich möchte wieder zurück.“ Für Müller war vor allem die abschreckende Wirkung des Aufenthalts wichtig. Ausweislich einer Reportage der Weltvom November 2015 wurden nur wenige Jugendliche erreicht und in Wohngruppen vermittelt. Viele kamen ins Gefängnis oder reisten in andere Länder. Dennoch schreibt der LEB, er habe „Kompetenz im Umgang mit diesem Klientel erworben“. Der Standort Bullerdeich sei „wesentlicher Baustein“.

Das Grundkonzept soll nun reaktiviert werden für ein Heim mit zehn Plätzen. Auch die Security-Leute soll es rund um die Uhr weiter geben. Als Zielgruppe nennt der LEB nun Jungen mit „deviantem“ Verhalten. Die Kriterien sind teils harte Straftaten wie Gewalt gegen andere Betreute. Aber auch schon die „regelhafte Ablehnung von Hilfsangeboten“, „Verweigerung von Pflichten am Tag“, „Verweigerung des Schulbesuchs“ oder „manipulatives Sozialverhalten“ werden in dem LEB-Papier als Gründe für einen Aufenthalt in der neuen „Clearingstelle“ aufgezählt. Der soll nur „einige Wochen, längstens drei bis fünf Monate“ dauern.

„Für mich ist die Konzeption nicht glaubwürdig. Sie intendiert eher eine Form verkappter geschlossener Unterbringung“, sagt Sabine Boeddinghaus (Linke). Eine Clearingsstelle sei dafür da, zu klären, welche Bedarfe ein Jungendlicher hat und welche Konzepte er braucht.

Linke: „Klare Grenzen für Security“

Die Jugendpolitikerin Boeddinghaus war 2005 Mitglied im Untersuchungsausschuss zum berüchtigten Heim in der Feuerbergstraße. Sie hält den Einsatz von Security für problematisch. Gerade beschäftigt sich das Amtsgericht mit dem Fall eines 17-jährigen Flüchtlings: Er eurde in einer Erstunterkunft von Security-Kräften am Arm gepackt und zu Boden geworfen, weil er morgens nicht aus dem Bett wollte. „Das ist eine zutiefst pädagogische Angelegenheit“, sagt Boeddinghaus. Sei Security im Heim-Einsatz, „müssen die Grenzen klar gezogen werden“.

Hamburgs Sozialbehörde kann konkrete Fragen zum Betrieb noch nicht beantworten. Man brauche erst eine Nutzungsgenehmigung des Bezirks, sagt Sprecher Marcel Schweitzer. Aus Mitte sei noch keine Stellungnahme gekommen. Dort hat man für den Ort zwar andere Pläne. Der Hof soll Teil des künftigen Alster-Elbe-Grünzugs werden. Grünen-Fraktionschef Michael Osterburg sagt, es ginge seines Wissens nur um eine einjährige Verlängerung der Heim-Nutzung. „Da sehen wir keine kritischen Punkte.“

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1 Kommentar

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  • Sie sterben offenbar nicht aus, die schwarzen Pädagogen. Nein, an der Hautfarbe sind sie nicht zu erkennen. Schwarz ist bloß ihre Seele, verkorkst von einer Erziehung, die offenbar noch schwärzer gewesen ist als die, die sie nun selber praktizieren (wollen) gegen ein Geld, das ihnen Steuerzahler schenken müssen auf Druck von Vater Staat, auch wenn sie das im grunde gar nicht wollen.

     

    Wer, wie dieser Herr Müller, auf die abschreckende Wirkung drastischer Strafen schwört, der muss Erfahrungen gemacht haben damit. Der reagiert womöglich auch nur dann, wenn jemand ihn bedroht. Weil er einfach so konditioniert ist. Auf frisch frisierte, weichgespülte Wohlstandsbürgerkinder würde man jemanden mit solch vorsintflutlichen Vorstellungen wahrscheinlich nicht mehr los lassen im Jahre 2017. Auf jugendliche Regelbrecher mit Migrationshintergrund schon. Auch eine Art Rassismus, das.

     

    Ich hoffe bloß, unser Freund Müller gerät nicht aus Versehen mal an einen echten Irren, wenn er in seiner Unterkunft Jungs sammelt, die gewalttätig sind, Hilfsangebote „regelhaft“ ablehnen, Pflichten und den Schulbesuch verweigern oder ein „manipulatives Sozialverhalten“ an den Tag legen. So etwas kann Ausdruck einer ernsthaften Störung sein. Einer wie der, an welcher dieser Manson laboriert hat, der grade Thema ist in allen Nachrichten.

     

    Nicht alle Jungs kriechen nach "zwei Tage[n] Auszeit“ zu Kreuze. Manche haben die Schnauze auch abschließend voll vom Gehorchen – es sei denn, sie dürfen selber kommandieren. Die sagen sich: „Ich will gar nicht zurück. Leckt mich am Arsch!“ Die tauchen einfach ab und sucht anderswo nach der Bestätigung, die sie vom Staat nicht kriegen, weil er die falschen Leute finanziert. Wenn ihre neuen Freunde dann Allah anrufen, bevor sie einen Sprengstoffgürtel umschnallen, ist diesen Jungs das höchstwahrscheinlich scheißegal. Beziehungsweise total recht. Rache ist schließlich Blutwurst. Auch, wenn's die Falschen trifft. Die haben das ja schließlich so gewollt.