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Jugendburg Ludwigstein„Offenheit“ – besonders nach rechts

Das Land Hessen stoppt Fördergelder für eine anerkannte Bildungsstätte. Das Sozialministerium sieht mögliche Verbindungen zu neurechten Jugendbewegungen.

Auf, du junger Wandersmann: Pfadfinderlager bei Frankershausen (Hessen). Bild: dpa

BERLIN taz | Die Gelder der Landesregierung Hessen für die Bildungsstätte Jugendburg Ludwigstein sind gestoppt. Der Grund: Auf der Burg sollen auch völkische Jugendbünde willkommen sein. „Bis zu Klärung der Vorwürfe ist veranlasst, dass keine Landesmittel und Zuwendungen mehr fließen“, sagt Esther Walter, Pressesprecherin des Sozialministeriums.

Am 3. Oktober fand auf der Burg ein „Markt der Jugendbewegung“ statt. Ein Gast auf der Burg fiel auf: Götz Kubitschek, der aus der Deutschen Gildenschaft (DG) kommt und Mitgründer des Instituts für Staatspolitik ist.

Doch nicht bloß der neurechte Kubitschek sorgte für Stirnrunzeln. Im Ministerium in Wiesbaden musste sich die Leitung um Stiftungsführerin Eva Eisenträger und Jugendbildungsstättengeschäftsführer Stephan Sommerfeld bereits wegen der „Fahrenden Gesellen – Bund für deutsches Leben und Wandern“, des „Freibunds“ und der DG verhalten. „Im Gespräch wurden wir gebeten, unsere Kriterien für die Zusammenarbeit genauer darzulegen“, sagt Sommerfeld.

In Thüringen löste erst im August die Mitgliedschaft des Regierungssprechers Karl-Eckhard Hahn (CDU) bei der DG einen Streit wegen möglicher völkische Ansätze aus. Das Regierungskabinett beschloss, die DG von der Innenministerkonferenz überprüfen zu lassen. Auf der Burg, die jährlich 16.000 Gäste besuchen, ist auch das Archiv der deutschen Jugendbewegung untergebracht. Der Archivkurator Sven Reiß kommt aus der DG. Sommerfeld erklärt: „Wir folgen der Grundhaltung ’Offene Burg‘. Das heißt, wenn die Gruppen transparent sind und nicht extremistisch, sind sie willkommen“.

Pfadfinder-Bund: Ansehen beschädigt

Diese „Offenheit“ stört aber längst andere Gruppen. „Das Konzept der ’Offenen Burg‘“ sagt Oliver Wunder, stellvertretender Bundesvorsitzender des Bundes der Pfadfinderinnen und Pfadfinder e. V. (BdP), „lässt auch Gruppierungen zu, die nicht mit unseren demokratischen Werten und Normen übereinstimmen.“ Die Teilnahme von „völkisch-nationalistischen Gruppen“ schade dem Ansehen.

Der Bund deutscher Pfadfinder ist Mitglied in der Vereinigung Jugendburg Ludwigstein e. V. Mit dem Deutschen Pfadfinderverband (DVP) hat der BdP unlängst eine Erklärung verfasst. Wunder sagt: „Wir möchten unsere Mitgliedern einem derartigen Einfluss nicht aussetzen und wir werden mit diesen Gruppen keine gemeinsame Veranstaltung durchführen.“ Eine abschließende Klärung mit dem Ministerium ist noch nicht gefunden.

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15 Kommentare

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  • A
    Andreas

    Sind es nun 40.000 oder 400.000?

    Egal. Darum geht es nicht, und auch Herr Kubitschek ist nur ein Indikator für einen Trend, der seit Jahren Grund für Diskussionen ist.

    Ein Beispiel ist der Freibund, der z.B. am alljährlichen Beräunertreffen teilnimmt, bis zum letzten Jahr aber auch auf dem Zwischentag einen Stand hatte, auf CDs zusammen mit neurechten Bands auftaucht etc. Das findet jeder, der eine Suchmaschine bedienen kann, sehr schnell heraus.

    Viele sehen seit Jahren ein schleichendes Problem dort auf der Burg - aber die Situation war festgefahren.

    Dass nun Bewegung in die Sache kommt, ist zu begrüßen. Schade nur, dass das auf so unschöne Weise passiert und die tollen Projekte der Burg und deren Mitarbeiter darunter leiden.

    Das nun alles einem einzigen Zeitungsartikel in die Schuhe zu schieben, ist in meinen Augen unsinnig und leichtfertig - es gibt und gab schon viel mehr Berichterstattung über die Burg. Ausserdem traue ich dem hessischen Sozialministerium auch ein wenig mehr Medienkompetenz zu.

    Man war sich scheinbar einfach nicht bewusst, WER dort oben zu Gast ist.

  • R
    Rumpelstilzchen

    Was für ein destruktiver Geist wütet hier? Ein Jornalist sollte den Mut haben nicht der erst besten Intention zu einem Thema zu folgen sondern und mit Starken Emotionen zu spielen aus Angst in der breiten Masse keinen Anklang zu finden er sollte den Mut haben über Dinge zu schreiben die in seinem Intresse liegen und somit Qualität eines Berichts zu schaffen Anstatt so unüberlegt beinahe Beiläufig eine so schöhne Sache einen so schöhnen Ort wie die Burg Ludwigstein in den Schmutz zu ziehen . Wer sind sie herr Jornalist , dass sie so vielen guten Leuten einfach Grundlos vor den Kopf stoßen Aber seinen sie unbesorgt für sie hat das keine folgen sie Berichten ja nur

    wollen die Algemeinheit Aufklären nicht wahr ? Ganz recht Nicht wahr! Ich danken ihnen dafür das sie mich Aufgeklärt haben wie sich schlecht Rescherchierte oder Falsch da gestellte Fakten ganz schnell zu einem Rufschädigenden Destruktiven Geist formen der weiter getragen durch die leeren Berichtstempel Spuckt bis ein jeder sich erschreckt hat und er wieder in der Versänkung verschwindet. malen sie sichs aus. Na und ist er schohn fort ?

  • G
    Gast

    Auch die TAZ versteht sich auf Diffamierung: Bilder von Wandersleuten, denen im Kontext rechte Tendenzen unterstellt werden.

     

    Diffamierung einer wirklich nicht rechten Einrichtung durch einen grenzwertigen Bericht. Da heischt wohl jemand nach Aufmerksamkeit und verbiegt die Realität gewaltig.

  • W
    WTF

    Erstmal wichtig: Auf dem Foto zu sehen, sind Pfadfinder des Bundes der Pfadfinderinnen und Pfadfinder (BdP) die auch unten zitiert werden. Dieser Verbund beruht fast vollständig auf ehrenamtlicher Arbeit und ist bewusst nicht poltisch, aber eher dem demokratisch-linken Spektrum zuzuordnen. Er ist übrigens NICHT das gleiche wie der Bund deutscher Pfadfinder (BDP).

    Beim nächsten mal bitte ordentliche Bildunterschriften und besser getrennte Benenungen der einzelnen Vereine.

  • Ärgerlich verfolge ich die Berichterstattung um die renommierte Burg Ludwigstein. Die journalistische Qualität der taz stand für mich bislang nicht in Frage. Wenn Andreas Speit mit dem Titel „Offenheit“- besonders nach rechts, urteilend das vorweg nimmt, was nach dem Teaser noch aussteht, nämlich eine „Klärung der Vorwürfe“, kann man diesen Text als denunziatorisch bezeichnen. Es ist falsch, das Götz Kubitschek ein Gast der Burg Ludwigstein war. Er war ein Besucher des erwähnten Marktes. Jedes Jahr besuchen fast 40 000 Menschen die Burg Ludwigstein, die Anwesenheit von sogenannten „neuen Rechten“ ist in den letzen 10 Jahren ein einziges Mal, eben das hier so effektvoll ausgeschlachtete, vorgekommen. Wohlgemerkt als „Besucher“ nicht als „Gäste“. Neben Götz Kubitschek, soll auch Dieter Stein als Besucher dort gewesen sein. 2 von 400 000! Was die beanstandeten Gruppen angeht, mögen sie nicht sympathisch sein. Aber die Bezeichnung völkisch-nationalistisch ist keinesfalls ihre Selbstdefinition und zudem eine Schwammvokabel aus dem Werkzeugkasten der Kolportage. Diese Gruppen mussten das Konzept der Offenen Burg unterschrieben das besagt:

    „[…]verpflichten wir uns, die uns anvertraute Jugend von der Idee des demokratischen Rechtsstaates zu überzeugen. […]Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen be¬nach¬teiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. […]Gebietsrevisionistische Auffassungen haben auf dem Lud¬wigstein keinen Platz.“

    Wenn der BdP durch Oliver Wunder bemerkt, „Das Konzept der ’Offenen Burg‘ lässt auch Gruppierungen zu, die nicht mit unseren demokratischen Werten und Normen übereinstimmen.“ Ist das eine Lüge und hat mit der Praxis auf der Burg Ludwigstein nichts zu tun.

  • Auf der Jugendburg Ludwigstein sind im Zuge der Feierlichkeiten zum 100. Jahrestags des Freideutschen Jugendtags drei Personen erschienen, die im völkisch-nationalistischen Umfeld die Zeitschrift „Junge Freiheit“ publizieren. Huh, entsetzlich! Nehmt dieser suspekten Burg sofort die Landeszuschüsse weg!

    Beim Auswärtsspiel der deutschen Fußballnationalelf in Schweden tauchen ein ganzer Schwung Leute auf, die unverhohlen Nazisprüche von sich geben. Friert die Bundesrepublik jetzt etwa alle Zuschüsse ein, die sie an den DFB gibt - höchste Zeit wäre es, wenn ich der skandalisierenden Logik des Autors Jesko Wrede folge (dessen Artikel in der ZEIT Auslöser dieser Farce ist).

    Was Wrede nicht erwähnt: Es gibt ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, demnach die Junge Freiheit nicht vom Verfassungsschutz als rechtsextreme Publikation bezeichnet werden darf. Deshalb beruft sich Wrede auch auf die Zentrale für politische Bildung, denn etwas Stärkeres hat er hier nicht.

    Und was er auch nicht erwähnt hat (obwohl er es wusste): Im Rahmen der Jubiläumsveranstaltung wurde ein echter Rechtsextremer der Burg verwiesen. Aber diese Tatsache würde im geschickt verzerrten Bild der Jugendburg nur stören, also fort damit ...

    • A
      Andreas
      @Jäger Wolfram:

      Was ein einseitiger Kommentar.

      Liest man den Artikel von Jesko Wrede gründlicher, wird man lesen "Anfang Oktober erschien mit Steffen Hupka ein bekannter Neonazi-Aktivist zum „Markt der Jugendbewegung“. Er wurde vom Burgbetriebsleiter des Geländes verwiesen. "

      Ausserdem geht es nicht um das Auftauchen von drei Personen, die die JF publizieren. Es geht um die regelmäßige Teilnahme von Bünden an Veranstaltungen, die von vielen als "völkisch" betrachtet werden. Kubitschek ist übrigens nicht nur an der JF beteiligt sondern spielt noch eine ganz andere Rolle in der neurechten Szene.

      Ich wüsste keinen anderen wichtigen Ort der bündischen Jugendbewegung, wo solche Personen und Bünde so problemlos auftauchen können.

  • M
    Marianne

    Das Foto gefällt mir. Und wandern tue ich auch gern. Aber daraus nun zu schließen, ich sei eine rechtslastige Zeitgenossin - na, das überlasse ich jedem selbst.

  • FK
    Frank Kröner (Yeti)

    "Offenheit - besonders nach rechts", das behauptet noch nicht mal Jesko Wrede. Und die Bildungsstätte als rechtslastig darzustellen, was für ein Quatsch ! Wenn das rechte Bildungsarbeit ist, dann brauchen wir vor "Rechts" keine Angst zu haben. Ist es aber nicht. Problematisch ist, daß die Jugendburg eben nicht nur eine Bildungsstätte, sondern auch eine Jugendübernachtungsstätte ist und es halt wirklich problematisch ist, jeden Übernachtungsgast bzw. jede Jugendgruppe, die die Burg einfach nur als Unterkunft und für eigene Programme nutzt, vorher auf Gesinnung zu prüfen. Klar müßte man gegen einschlägig bekannte Vertreter der neuen Rechten schneller mal das Hausrecht anwenden, wenn diese wie geschehen als unangemeldete Gäste einer Veranstaltung auftauchen. Andererseits ist auch nicht jeder gleich rechts, wenn er mal über ein Sonnenwendfeuer springt. Also bitte sachlich bleiben, die Bildungsstätte ist jenseits jeden Verdachtes, rechts zu sein und daß sich in einer Jugendübernachtungsstätte auch mal Gäste einfinden, die merkwürdige Traditionen haben, kann man kaum verhindern und erreichen kann man diese Kinder und Jugendlichen nur, wenn man mit ihnen Bildungsarbeit macht und sie nicht von der Burg jagt.

    Ich kenne die Burg aus vielen Jahren ehrenamtlicher Tätigkeit und kann versichern: Es ist nicht der beschriebene Hort der Rechten, es ist ein offener Ort, ein Ort von Austausch und Diskussion und ein Ort des Erlebens "linker" Werte wie Toleranz und Internationalität. Ich fände es schade, wenn er totgeschrieben würde.

  • B
    buendisch

    Leider etwas falsch: Der zitierte BdP ist der "Bund der Pfadfinderinnen und Pfadfinder", daneben gibt es den BDP, den "Bund Deutscher PfadfinderInnen".

  • K
    KSG

    So funktioniert Rufmord! Während die Jugendburg Ludwigstein gerade erst für ein Projekt mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen aus dem Sudan ausgezeichnet wurde und ihre Arbeit auch sonst ehr linksliberal als rechts einzuordnen ist - am letzten Wochenende fand dort z.B. eine Tagung der freien Archive (Archiv für Jugendkultur e.V. Berlin, Archiv des Instituts für Sozialforschung Hamburg, Archiv der Arbeiterjugendbewegung Oer-Erkenschwick usw.) statt - reicht ein Artikel auf einem Blog der "Zeit", der diese Arbeit verzerrt und böswillig darstellt, und diese Arbeit zu gefährden. Dieser Bericht hier fasst das zusammen, was dort ausführlicher steht und flucks wird aus dem unangemeldeten Besucher Kubitschek ein "Gast", für den man der Burg Sympathie unterstellt! Auch wenn die Verantwortlichen auf der Burg hoffentlich die kritischen Fragen schnell und überzeugend beantworten, die Rufschädigung bleibt bestehen.

  • JJ
    Jared J. Myers

    Es wäre ganz nett gewesen, zu erfahren, wo denn diese ominöse Burg Ludwigstein überhaupt liegt - Hessen ist groß.

     

    Eventuell ist diese hier - bei Witzenhausen - gemeint?

     

    http://www.panoramio.com/photo/94628862

  • B
    Blödsinn

    Was sollen denn "völkische Jugendbünde" sein? Sehen die sich die WM an und wedeln mit der Deutschlandfahne? Während Sarah Wagenknecht die ARD bewohnt sind ale Gruppen, die nicht links sind praktisch schon das 4te Reich. Wenn die Antifa und ihr Autor Andreas Speit bestimmen was erlaubt sein darf, das tun solche Leute immer öfters im Staatsauftrag, dann warte ich auf ein Verbot der Jungen Union. Man setzt alles mit Nazis gleich und am Ende landen genau deshalb Leute bei Nazis. Es ist das Gleiche wie in den 70ern als jeder mit langen Haaren Kommunist und jeder in einer Kommune ein RAF-Sympatisant war. Wenn man den damaligen Aufpassern glaubte.

    • A
      Andreas
      @Blödsinn:

      http://de.wikipedia.org/wiki/V%C3%B6lkische_Bewegung

       

      Das ist ziemlich klar definiert. Es geht um eine recht kleine Menge an Bünden, die deren Namen durch eine kurze Internet-Recherche schnell zu ermitteln sind.

    • A
      antiantianti
      @Blödsinn:

      Gefahr erkannt, Gefahr gebannt. Schuld an den ganzen Nazis sind - wie an allem anderen auch - wieder mal die Roten(wie zum Beispiel der Thüringer Innenminister Jörg Geibert, der die Gildenschaft im Sommer 2013 durch die IMK prüfen liess).

       

      Danke dafür.