Tabubruch: Lange Nacht der rechten Bücher
Erstmals ist bei der Langen Nacht der Bibliotheken auch die „Bibliothek des Konservatismus“ dabei. Für Kritiker gehört sie zum Netzwerk der Neuen Rechten.
Am Donnerstag findet zum zweiten Mal die Lange Nacht der Bibliotheken statt. Zwischen 17 und 24 Uhr können BerlinerInnen in fast 40 Bibliotheken schmökern und Veranstaltungen besuchen. Im Büchertempel des Deutschen Institutes für Menschenrechte geht es dabei um den sprachlichen Umgang mit Menschen mit Behinderungen. In der Bibliothek im Polnischen Institut liest die Autorin und Illustratorin Yvona Chmielewska aus Blumkas Tagebuch, das vom Leben in Janusz Korczaks Waisenhaus erzählt.
Die Lange Nacht bietet ein breites und interessantes Spektrum, wäre da nicht ein Haken: Unter den teilnehmenden Bibliotheken ist auch die „Bibliothek des Konservatismus“ in Charlottenburg mit dabei. Im Begleitheft wird diese Einrichtung der Neuen Rechten gleich nach dem Grußwort des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) beworben.
Nähe zur „Jungen Freiheit“
Die „Bibliothek des Konservatismus“ wurde Ende 2012 eröffnet. Sie wird durch die Förderstiftung Konservative Bildung und Forschung getragen, die seit 2007 in Zusammenarbeit mit der rechtslastigen Zeitung Junge Freiheit den Gerhard-Löwenthal-Preis herausgibt. Preisträger kamen unter anderem aus dem Burschenschaftsspektrum und dem Autorenkreis der Junge Freiheit.
In der Bibliothek fanden Veranstaltungen mit neurechten Akteuren statt, wie etwa Karlheinz Weißmann vom neurechten „Institut für Staatspolitik“ und mit fundamentalistischen Abtreibungsgegnern. Bibliotheksleiter Wolfgang Fenske sagt: „Wir haben einen Sonderbestand Lebensrecht, so dass das Begleitprogramm zum ’Marsch für das Leben‘ bei uns gut aufgehoben war.“ Ein Vortrag im November heißt: „Menschenrecht Meinungsfreiheit – Wie islamische Akteure unsere Grundrechte bedrohen“.
Die Lange Nacht wird von Bibliotheksverbänden in Berlin und Brandenburg organisiert. Karen Schmohl vom Organisationsteam weiß um die Problematik. „Wir nehmen das Problem ernst, haben uns aber aus grundsätzlichen Gründen entschlossen, die Bibliothek des Konservatismus nicht auszuschließen, auch wenn sie am rechten Rand zu Hause ist. Die Lange Nacht steht allen Bibliotheken offen, sofern sie nicht offiziell als verfassungsfeindlich eingestuft sind.“
Bisher habe noch niemand einen Strafantrag gegen die Bibliothek gestellt oder ihren Ausschluss aus dem Deutschen Bibliotheksverbund beantragt, erklärt Schmohl weiter. „Somit lässt es sich leider nicht vermeiden, auch dieser Bibliothek Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Aber das ist nur eine von vielen, in der Mehrheit ganz anders ausgerichteten Bibliotheken. Bei uns nehmen etwa auch die Bibliotheken der Topographie des Terrors und des Hauses der Wannseekonferenz teil.“
Ihr Kollege Stefan Rogge vom Organisationsteam ergänzt: „Die Vorwürfe, die uns in den letzten Tagen erreichten, werden wir prüfen. Wir wollen fragen, ob der Rechtsstaat die Meinungsäußerungen und die Gesinnung der Bibliothek des Konservatismus aushalten muss oder nicht. Da die Prüfung nicht in Kürze zu leisten ist, schließen wir die Bibliothek aber nicht aus.“
Kritik an der Entscheidung war von den Asten der Technischen und der Freien Universität gekommen. Hannah Eberle vom Asta der TU sagt: „Wir finden es skandalös, dass die Bibliothek des Konservatismus sich ohne hörbare kritische Stimmen in der Langen Nacht der Bibliotheken in eine Reihe stellen darf mit weltoffenen Bibliotheken wie zum Beispiel unserer Universitätsbibliothek.“ In der Bibliothek des Konservatismus finde, so der Asta, „nicht Bildung und Forschung statt, sondern Networking von Rechten“.
Kein Podium geben
Der Asta der FU kritisiert, dass der „Bibliothek des Konservatismus“ durch die Teilnahme ohne Not ein Podium gegeben wird, „sich öffentlich als neutrale Einrichtung der Wissensvermittlung zu präsentieren und Versatzstücke rechter Ideologien als vermeintlich wissenschaftlich akzeptierte Positionen darzustellen“. Der FU-Asta fordert alle beteiligten Bibliotheken dazu auf, „sich umgehend und nachhaltig“ von der neurechten Bibliothek zu distanzieren.
Laut dem Netzwerk „Recherche und Aktion“ handelt es sich bei der Bibliothek um „eine wesentliche Struktur des nicht-parteilichen deutschen Rechtskonservatismus, die als ideologische Schnittstelle bis weit ins deutschnationale und völkische Lager fungiert“.
Bibliotheksleiter Wolfgang Fenske kann die Vorwürfe nicht nachvollziehen. „Wir sind eine Bibliothek, in der jeder arbeiten kann, der sich an die Benutzerordnung hält.“ In der Langen Nacht wolle seine Einrichtung sich der Öffentlichkeit präsentieren, so Fenske.
Leser*innenkommentare
Heinz Doofkopp
Gast
Das ist natürlich ein Skandal erster Güte. Wie kann man den "BerlinerInnen" nur zumuten sich auch mit Medien zu befassen, die nicht am linken Rand beheimatet sind. Da muss natürlich die Toleranz ein Ende finden. Konservativ geht einfach mal garnicht. Wo kämen wir denn hin, wenn es plötzlich ausgewogen zuginge in diesem Land? Da wäre ja die ganze schöne Kulturrevoluation der 68er bald den Bach runter. Ich empfehle dringend den gesamtstaatlichen Kampf gegen Rechts auch auf alles konservative und bürgerliche auszuweiten!!
Hans-Heinrich
Gast
Sie haben recht mit Ihrer Kritik - die Linken sind mit der " Bibliothek des Konservatismus" intellektuell total überfordert.
Marion
Gast
Blöde Frage: Was ist ein "neurechter Akteur"? Gegenüber wohl einem altrechten? Gehört das "Netzwerk "Recherche und Aktion""? zu einer der Asten?
Ich lese Ihre Zeitung noch nicht so lange.
Allgemeinbildung
Gast
neurechts = junge Neonazis
altrechts = alte Neonazis
Netzwerk "Recherche und Aktion" = Antifa
Beteigeuze
Schön auch:
Die Überschrift "Tabubruch"
So weit sind wir also schon in der "Demokratie", daß das Lesen und zur Verfügung Stellen bestimmter Bücher ein sanktionswürdiges Tabu darstellt.
Wer hierbei nicht hellhörig wird und erkennt, daß so manches langsam aber sicher in eine ganz falsche Richtung läuft, ist weit jenseits der intellektuellen Schmerzgrenze.
Nicht mehr Gerichte entscheiden also über richtig und falsch; die Asta übernimmt nun diese Funktion- sie fordert und sanktioniert, wann es ihr in den Kram passt.
Erfahrungsgemäß knicken die derart Gescholtenen recht schnell ein; mal sehen, wie der Bibliotheksverbund reagiert. Der Sprachwahl zu urteilen ("...nehmen Problem ernst...", "bekommen leider Aufmerksamkeit") ist man politisch schon fein auf Kurs; nun muß man bloß noch ein einigermaßen plausibles Schlupfloch finden, damit künftig nur noch das "richtige" Buch gelesen werden kann- auch und gerade in der Bibliotheksnacht.
Gruß
Beteigeuze
Peter
Gast
Nun bin ich Genossenschaft per der Taz. Sie war mal ein Versuch, ab vom Mainstream zu berichten.Naja. Heutzutage gibt es sowas wie den "Marsch der Anständigen". Dort sind alle vertreten, die für die Politik in Deutschland Verantwortung zeichnen.Inklusive "Asyl/Ausländer/Flüchtlingspolitik.Politik die den Rechtsstaat , durch Demontage der Verwaltungsgerichtsbarkeit, in Frage stellt. Von diversen Kriegen mal abgesehen.Achso, Frage sich doch jeder selbst, ob er noch gegen Krankenhaus, Versicherung, Staatswillkür klagen kann.Renten ...egal ! Familien..egal!Stadtteilschulen= Gethoschule...darf man/Frau nicht drüber sprechen. Wo ist die Taz heute nicht im Mainstream (wie die Anständigen)??? Übrigens,.. die Bücherverbrennungen gingen von den Universitäten aus. Die Unis waren sehr schnell gleichgeschaltet.Die Studiosi waren gerne braun. Leute! Tickt den AStA ! Und diesen Artikel.
Verbieten!
Gast
Wenn man in Deutschland immer so gedacht hätte wie der Asta oder der Autor, dann gäbe es keinen Asta und keine taz.
Jetzt hätte man hier gerne nur eine Auswahl zwischen, links, links oder natürlich links. Das hatten wir schon mal, nannte sich DDR. Wer das als Linker will ist so weit links, der er schon wieder fast rechtsaußen angekommen ist.
Aber was solls. Wenn es was zu verbieten gibt geht doch einfach zu den Grünen.
JF- Leser
Gast
Der Asta hat sich in erster linie um die belange der hochschule und deren student_innen zu kümmern. Eine versuchte einflussnahme auf geplante veranstaltungen oder eine derart politische positionierung sind eindeutig nicht die aufgabe des Astas!
Beteigeuze
Das ist zwar genau so richtig wie die Erkenntnis, daß sich Gewerkschaften in erster Linie um die Belange der Arbeitnehmer zu kümmern haben; letzten Endes finden wir sie jedoch überall dort, wo die ideologischen Positionen der Linkspartei vertreten werden- und sei es dort, wo dem einheimischen Geringqualifizierten bei der Jobsuche noch zusätzlich Probleme gemacht werden durch den Import weiterer Geringqualifizierter...
von der Vertretung der Arbeitnehmerbelange also keine Spur.
Merke also:
So lange linke Positionen vertreten werden, braucht der Schuster nicht bei seinen Leisten zu bleiben.
Gruß
Beteigeuze
Charles Neuer
Gast
Die "Genderbibliothek", welche ja auch an dieser Veranstaltung teilnimmt, gehört für Kritiker zum Netzwerk der neuen Linken. Was nun? Ausschliessen? Verbieten? Ich bin verwirrt...
Ralf Fennig
Gast
Gibt es ein Spendenkonto für die "Bibliothek des Konservativismus" - ich lese jetzt zum ersten Mal das es sie gibt und finde es gut, möchte sie gern unterstützen.
Sanny
Gast
Daher ja auch der verbreitete Spitzname der ,,Bibliothek": BluBoBIB. War zwar nicht drin, aber sicher gibts da viel Blubo (Abkürzung für ,,Blut und Boden") -Literatur. Armes Berlin.
Baltasar Gracián
Gast
Oh nein, da gibt es eine Bibliothek, die nicht ausdrücklich dem linken Kanon verpflichtet ist, das darf doch nicht sein! Und dann nimmt sich diese Bibliothek auch noch heraus, die Literatur von konservativen Denkern aus der ganzen Welt zu präsentieren! Aber "weltoffen" dürfen doch nur Linke sein! Nein, solche Autoren, Meinungen und Bücher dürfen doch nicht Teil des demokratischen Diskurses sein! Der hört schließlich spätestens bei der Sozialdemokratie auf. Was dahinter kommt ist nur noch fascho, gehört verdrängt und verboten. Und die Autoren gleich mit. Die Bücher könnte man natürlich auch verbrennen, erpart das Verbieten... und die Autoren... uuuups... (Merkt Ihr es eigentlich noch? Diese Frage ist auch an die taz gerichtet!)
LariFari
Gast
Mir scheint der "Konservatismus" ist längst im angeblich weltoffenen linken Spektrum angekommen.
Wenn ich mir den lateinischen Ursprung "conservare" anschaue, finde ich schon das alles versucht wird, seine eigene Meinung zu "bewahren"(eigentlich zu zementieren) und missliebige Meinungen auszuschliessen.
Das hat mit Weltoffenheit und Streitkultur nicht viel zu tun. Arme konservative, deutsche Linke.
Aronar
Gast
"die seit 2007 in Zusammenarbeit mit der rechtslastigen Zeitung Junge Freiheit"
Und wir lesen in der linkslastigen Zeitung "TAZ" und jetzt ?
Rechtskonservativismus und ja auch Deutschnationalismus (wobei ich den dem Museum nicht unterstellen will) sind legitime und LEGALE Meinungen in diesem Staat die ein RECHT auf ein Podium, ein RECHT ihre Meinung zu verbreiten und diese auch im Rahmen solcher Veranstaltungen offen zu vertreten.
Wer dieses Recht leugnet steht ausserhalb des freiheitlich, demokratischen Grundkonsenses der BRD.
Bibo
Gast
Kommentar entfernt.
systemf
Gast
Das "Podium" wird doch erst durch die "hörbare(n) kritische Stimmen" wirklich geschaffen, das hatten wir kürzlich doch erst bei Freiwild und es passiert immer wieder, dass (rechte) Märtyrer durch (linke) Verbote und Verbotsversuche erst wirklich enstehen. Ich habe Ernst Jünger (sicher in der erwähnten Bibliothek zu finden) nur gelesen, weil man mir gesagt hat, es nicht zu tun. War interessant.
Davon ab ist Konservatismus erstmal nicht "rechts" und "rechts" auch noch lange nicht rechtsradikal oder nazistisch. Solange es nicht um Straftatbestände geht, herrscht glücklicherweise noch die freie Meinungsäusserung. Ein paar Schritte weitergedacht und wir sind wieder bei der Bücherverbrennung.
Hannes
Gast
" Ich habe Ernst Jünger (sicher in der erwähnten Bibliothek zu finden) nur gelesen, weil man mir gesagt hat, es nicht zu tun. War interessant."
Wie alt bist du?
systemf
Gast
@Hannes 31, aber wo ist da der Zusammenhang? Zu jung oder zu alt fuer die Aussage von mir? :>