Jürgen Vogt über Proteste gegen den Lithiumabbau in Argentinien: Indigene verteidigen ihr Leben
Der Konflikt, der gerade in der nordargentinischen Provinz Jujuy um den Lithiumabbau schwelt, ähnelt einer Zwiebel. Es muss einiges weggeschält werden, um an der Kern der Auseinandersetzung zu kommen. Da ist zum einen die Erzählung, dass es sich um einen Streit zwischen der vermeintlich progressiven Nationalregierung und der rechtsgemäßigten Provinzregierung handelt. Tatsächlich befindet sich Argentinien gerade in einem Superwahljahr, das mit den Präsidentschaftswahlen im Oktober seinen Höhepunkt erreicht, für die sich Jujuys Gouverneur Gerardo Morales gerade als Kandidat für die Vizepräsidentschaft aufgestellt hat.
So erscheint es zwingend logisch, dass Provokateure aus Buenos Aires nach Jujuy geschickt wurden, um die Stimmung anzuheizen. Und es scheint auch logisch, dass Gouverneur Morales gerade jetzt klare Kante zeigen muss und deshalb die Knüppel schwingen lässt. Dabei regiert Morales aber nur wie einer der Provinz-Caudillos, die in vielen der 23 argentinischen Provinzen nach Gutsherrenart herrschen, unabhängig von ihrer politischen Zugehörigkeit.
Dann ist da das Narrativ, Jujuy sei eine Art Horrorvorschau auf die kommenden sozialen Konflikte, sollte ein Rechtskonservativer Ende des Jahres die Präsidentschaft übernehmen und mit seiner Sparpolitik einen Volksaufstand provozieren. Ein willkommenes Szenario für die dann progressive Opposition auf der einen und ein überzeugendes Argument für eine rechtskonservative Aufrüstung der uniformierten Ordnungskräfte auf der anderen Seite. Ist Jujuy also ein Versuchsballon für die Zukunft?
Für die indigenen Völker begann diese Zukunft mit der Ankunft der spanischen Invasoren. Eroberung, Unterdrückung und Plünderung sind für sie nichts Neues. Die Energiewende im Norden bringt neue Eroberer und Plünderer im Süden hervor, die sich nun das „weiße Gold“ Lithium aus den Salzseen im Andenhochland aneignen wollen. Denn das ist der Kern des Konflikts, der sich umso deutlicher herausschälen wird, je länger der Widerstand anhält und je brutaler dessen Unterdrückung wird. Dem Norden sollte eins klar sein: Die indigenen Völker verteidigen ihr Territorium und ihr Leben.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen