Jürgen Kaseks Engagement gegen rechts: Zwischen Demos und Partei
Jürgen Kasek ist ein Grüner, der der Antifa nahesteht. Das mögen nicht alle, aber ihm ist das egal, erzählt er beim taz-Dinner in Dresden.
Er verteilt Brettchen, Messer und Aufgaben. „25 Prozent AfD ist ein unbefriedigender Zustand für jede Demokratie“, sagt er. Diesen Zustand haben die bisherigen Regierungen vorbereitet, meint Kasek. „Dass Sachsen Sachsen ist, hängt maßgeblich mit den letzten 30 Jahren zusammen – also auch mit der CDU.“
Kasek ist schon sein ganzes Leben in Sachsen. Er hat sich hier politisiert – in einem Bundesland, in dem die CDU seit der Wende regiert. Es ist seine erste Freundin, die ihm ein Patch mit einem durchgestrichenen Hakenkreuz schenkt. Zu Schulzeiten hängt er mit den Punks in der Leipziger Innenstadt rum. Manchmal pöbeln sie vor dem Café Dresden am Bahnhof.
„Da gab es Bier für eine Mark und Faschos“, sagt er. Kasek ist ein Grüner, der sich auch in der Antifa beheimatet fühlt. Manchmal zu links für die Parteifreund_innen. Es hilft, dass er seine Haltung über die Parteilinie stellt. An seinen Taten möchte er gemessen werden, gebe es doch nicht „die Grünen“ und „die Antifa“.
Grüne Regierungsbeteiligung kaum vermeidbar
Seit den 90er Jahren kämpft Kasek gegen Rechtsextremismus. Er organisiert Demos, hat über 52.000 Tweets veröffentlicht, viele mit antifaschistischem Inhalt, hat sich einen Namen gemacht. Er weiß, was Aktivismus in Sachsen bedeutet. „Du drehst dich um, guckst, ob da Leute sind“, erzählt er. Drohungen gehören dazu. Es helfe, dass Geschichten über ihn und seine vermeintlichen Schlägertrupps kursieren. Die gebe es natürlich nicht, aber wie Monty Pythons schwarzen Ritter schützten ihn diese in Nazikreisen verbreiteten Erzählungen
Sechs Wochen im Osten: Vor der Landtagswahl in Sachsen am 1. September 2019 war die taz in Dresden. Seit dem 22. Juli waren wir mit einer eigenen Redaktion vor Ort. Auch in Brandenburg und Thüringen sind bzw. waren wir vor den Landtagswahlen mit unserem #tazost-Schwerpunkt ganz nah dran – auf taz.de, bei Instagram, Facebook und Periscope. Über ihre neuesten Erlebnisse schreiben und sprechen unsere Journalist*innen im Ostblog und im Ostcast. Begleitend zur Berichterstattung gibt es taz Gespräche in Frankfurt (Oder), Dresden, Wurzen und Grimma. Alle Infos zur taz Ost finden Sie auf taz.de/ost.
Irgendwann brutzelt Toastbrot in Olivenöl und Knoblauch. Kasek erklärt, wie die Pastasoße gekocht wird. Die Landtagswahl kommt zur Sprache. Die Grünen und das Regieren. Ohne die Grünen wird die CDU in Sachsen kaum regieren können. Kenia, Schwarz-Rot-Grün, ist nach aktuellen Umfragen am wahrscheinlichsten. Kasek lehnt das ab. Weil die sächsische CDU so konservativ ist, aber auch weil die Grünen ihre Forderungen auch in der Regierung kaum umsetzen können.
Das Polizeigesetz werde auf politischer Ebene nicht mehr angefasst, prognostiziert Kasek. Auch der Kohleausstieg 2038 sei auf Bundesebene beschlossene Sache. Kasek weiß aber auch, dass die grüne Regierungsbeteiligung kaum vermeidbar ist. In dem Fall müssten sich die Grünen dafür einsetzen, dass keine weiteren Dörfer abgebaggert werden. „Pödelwitz muss bleiben“, fordert Kasek für die südlich von Leipzig gelegene Siedlung.
Bei der Bildung glaubt er, dass sich Grüne und CDU einigen könnten. Es sei klar, dass investiert werden müsse, der sächsische Lehrkräftemangel sei unbestreitbar. Das stärke auch den Wirtschaftsstandort Sachsen. Denn seit die AfD so stark ist, sagen Firmen, „zu euch will niemand“, schildert Kasek.
Er kotzt im Strahl
Kasek hält Vorträge, wenn man fragt, warum die AfD denn so stark sei. Es sei der Stolz auf Sachsen, glaubt Kasek. Das Wirtschaftswunder, die Landschaft. Er kann das nicht nachvollziehen. „Was ist denn hier besonders?“, fragt er. Vielmehr würden der Stolz und die Forderung der Leitkultur jene abwerten, die neu dazukämen. Definiert sich der stolze Sachse über sein Deutsch-Sein, dann grenze er sich vor allem nach unten ab. Damit hat Kasek als linker Grüner ein Problem.
„Ich kotz im Strahl“, sagt er mehrmals. Und es fehlen „die positiven Erfahrungen im Umgang mit der Demokratie“, sagt Kasek, selbst Kind der Wende. Das liege am „technischen Demokratieverständnis“, seit der Wende gepflegt von der CDU. Die Mehrheit siege über die Minderheit, fertig sei die Demokratie. So werde das in Sachsen gesehen, sagt er. Er sieht das anders. „Demokratie heißt auch Konsens“ und funktioniere dann, wenn sie möglichst viele einbindet. „Das fetzt, vor allem, wenn man es selber macht.“
Für Kaseks Werdegang sind die politischen Positionen seiner Eltern wichtig gewesen, sagt er selbst. Vater und Mutter waren in der DDR in Umweltgruppen organisiert, demonstrierten auf den Montagsdemos. Als es dort nicht mehr um die Demokratisierung der DDR selbst, sondern um die Wiedervereinigung geht, gehen sie nicht mehr hin. Nach der Wende saß seine Mutter im Leipziger Stadtrat, parteilos für die Grünen. Engagement in Parteipolitik und außerparlamentarische Bewegung – Kasek kennt das von zu Hause. Auch er tut beides. Zum Beispiel in den Bündnissen „Leipzig nimmt Platz“ und „Leipzig für alle!“.
Wahrscheinlich steht er ständig unter Strom. Ein Termin reiht sich an den nächsten. Wie am Wahlsonntag, morgens wird er seine Mutter abholen und mit ihr wählen gehen, ganz traditionell. Danach plant er bei der grünen Wahlparty vorbeizuschauen. Und für den Wahlabend, „wenn das Grauen kommt“, hat Kasek Demonstrationen rund um das Leipziger Rathaus angemeldet.
Auch das Essen endet abrupt. In fünfzehn Minuten fährt der letzte Zug nach Leipzig. Bevor Kasek ins Taxi steigt, trinkt er sein Bier auf ex leer. Morgen muss er seine Tochter in den Kindergarten bringen, dann zum Landgericht. Er macht nur sieben Tage Urlaub im Jahr. Dem Rechtsextremismus in Sachsen Paroli zu bieten hat Vorrang.
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