Journalistin über rechtsextreme Listen: „Konsequent durchgreifen“
Rechtsextreme sammeln Informationen über ihre Gegner. Sheila Mysorekar erklärt, warum Organisationen von Innenminister Seehofer Aufklärung verlangen.
taz: Frau Mysorekar, in einem offenen Brief fordern mehrere Organisationen, unter anderem die Neuen Deutschen Medienmacher und der Deutsche Journalisten-Verband, von Bundesinnenminister Horst Seehofer Aufklärung über die sogenannten Todeslisten Rechtsradikaler in Deutschland. Was veranlasst Sie zu diesem gemeinsamen Schritt?
Sheila Mysorekar: Diese Listen gehen uns alle an. Es kann nicht jedem einzelnen Menschen überlassen werden herumzuraten, ob er oder sie auf einer dieser Listen steht. Gerade Journalistinnen und Journalisten werden von Rechtradikalen als besondere Gegner betrachtet. Viele Medienschaffende sind seit geraumer Zeit unter großem Druck: Sie werden verbal bedroht, vor allem diejenigen, die sich in ihrer Arbeit für Vielfalt, Antirassismus oder Feminismus einsetzen.
Aber Medienschaffende müssen sich sicher fühlen – und sicher sein! –, um ihrer Arbeit nachgehen zu können. Zu wissen, dass es solche Listen gibt, ohne dass die Politik und die Sicherheitsorgane angemessen reagieren, beunruhigt viele Kolleg*innen. Eine Reihe Medienorganisationen vermissen ein konsequentes Durchgreifen des Staates gegenüber rechtsradikalen Gruppierungen, um unsere Sicherheit zu gewährleisten. Das möchten wir an diesem Beispiel zeigen.
Haben bei NDM organisierte Journalist*innen Ihrer Kenntnis nach bereits Auskunft erhalten?
Nicht, dass ich wüsste. Als Organisation haben wir jedenfalls keine Informationen bekommen, ob einzelne Mitglieder oder unser Verein auf einer dieser Listen stehen – obwohl wir davon ausgehen, dass dies der Fall ist. Viele unserer Mitglieder bekommen regelmäßig Hassmails und Drohungen, gerade diejenigen, die an exponierter Stelle arbeiten, über Rechtsradikale recherchieren oder politische Bücher veröffentlicht haben.
Welche Schritte erwarten Sie von staatlicher Seite zum Schutz der Menschen auf den Listen?
ist Journalistin und Vorsitzende des Vereins „Neue deutsche Medienmacher“.
Als erstes sollten Medienhäuser und -organisationen informiert werden, ob sie auf diesen Listen zu finden sind. Sollte das der Fall sein, erwarte ich konkrete Maßnahmen – was immer notwendig ist, um uns zu schützen. Es gibt ausreichend Beispiele für die Gewaltbereitschaft der Rechtsextremen, bis hin zum Mord.
Der Staat kann also nicht davon ausgehen, dass diese Listen nur aus Langeweile zusammengestellt wurden. Und er kann es nicht den Journalist*innen überlassen, selbst für ihre Sicherheit zu sorgen. Das Innenministerium soll die zuständigen Behörden mobilisieren, damit die Betroffenen in Frieden leben können. Damit meine ich nicht Personenschutz, sondern ein hartes Durchgreifen gegenüber denjenigen, die solche Listen zusammenstellen und verschicken, und gegenüber denjenigen, die Hass verbreiten und Menschen angreifen.
Beobachten Sie einen Einschüchterungseffekt bei Kolleg*innen oder eher ein Jetzt-erst-recht-Gefühl?
Beides. Es gibt Leute, denen das Risiko für sich und ihre Familien zu groß ist, und die sich auf unpolitische Themen zurückziehen. Ich habe absolut Verständnis dafür, auch wenn mein Weg ein anderer ist. Und es gibt Journalist*innen, die sagen: „Unsere Meinungsfreiheit und unsere Demokratie stehen auf dem Spiel; wir lassen uns doch von den Rechtsradikalen nicht einschüchtern. Jetzt geht's um die Wurst!“ Deswegen ist es um so wichtiger, dass sich Medienhäuser und Medienorganisationen hinter sie stellen und – wie in diesem Fall – Sicherheit einfordern.
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