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Journalist zu Unrecht inhaftiertSchadensersatz für Yücel

Das türkische Verfassungsgericht gibt „Welt“-Reporter Deniz Yücel recht. Seine einjährige Untersuchungshaft war rechtswidrig.

Deniz Yücel bekommt weniger als 4.000 Euro für ein Jahr Knast Foto: dpa

Istanbul/Ankara dpa/epd | Das Verfassungsgericht in Ankara hat die Untersuchungshaft des ein Jahr in der Türkei inhaftierten Welt-Reporters Deniz Yücel für rechtswidrig erklärt: „Durch die rechtswidrige Verhaftung wurde das Recht auf persönliche Sicherheit und Freiheit sowie das Recht auf Meinungsfreiheit verletzt“, zitiert Die Welt die türkischen Verfassungsrichter.

Zudem erhalte Yücel einen Schadenersatz von 25.000 Türkischen Lira (rund 3.800 Euro). Eine getrennte Schadenersatzklage laufe aber noch, sagte Yücels Anwalt, Veysel Ok, der Deutschen Presse-Agentur. Dazu stehe die Entscheidung noch aus.

„Leider kommt dieses Urteil sehr spät; es hätte ganz andere Folgen haben können, wenn sich das Verfassungsgericht mit unserer Beschwerde befasst hätte, als mein Mandant noch in Haft war“, sagte Yücels Anwalt Veysel Ok der Welt. Das Gericht habe nun bestätigt, dass sich Yücel „nichts außer Journalismus“ zuschulden kommen lassen habe, erklärte Ok.

Den von Yücel erhobenen Vorwurf, er sei im Gefängnis gefoltert worden, wies laut Welt das türkische Verfassungsgericht einstimmig zurück. Yücel saß ein Jahr ohne Anklageschrift in der Türkei im Gefängnis, davon neun Monate in strenger Einzelhaft. Erst im Februar 2018 kam Yücel nach politischem Tauziehen zwischen Berlin und Ankara frei und durfte ausreisen.

Gleichzeitig wurde Anklage wegen Terrorpropaganda und Volksverhetzung erhoben. Der Prozess gegen den Journalisten wird am 16. Juli in Istanbul fortgesetzt.

Yücel wird ab Juli erstmals seit seiner Inhaftierung wieder regelmäßig für die Welt berichten. Von Dresden aus wird der 45-Jährige die kommenden Landtagswahlen in Ostdeutschland begleiten, wie Ulf Poschardt, Chefredakteur der Welt-Gruppe, am Donnerstag ankündigte.

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7 Kommentare

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  • "Den von Yücel erhobenen Vorwurf, er sei im Gefängnis gefoltert worden, wies laut Welt das türkische Verfassungsgericht einstimmig zurück. Yücel saß ein Jahr ohne Anklageschrift in der Türkei im Gefängnis, davon neun Monate in strenger Einzelhaft."



    Einzelhaft ist per Definition Folter.



    Die Türkei ein Rechtsstaat? Es darf gelacht werden.



    de.wikipedia.org/wiki/Isolationshaft

    • @Frau Kirschgrün:

      Ein Verfassungsgericht ist zumindest die theoretische Voraussetzung für einen Rechtsstaat. In Unrechtsstaaten kann mensch den Staat ned verklagen.



      Mit dem Begriff "Definition" wäre ich in Bezug auf die Juristerei ebenfalls vorsichtig, käme auf die Rechtsauslegung in der Türkei an.



      Eine*r wo Jura studierte kann das bestimmt besser erklären als ich einfaches Menschlein, nur ist im Gegensatz zu den AEMR Folter auch im immer so hochgehimmelten GG (das immernochnicht vom Volk abgesegnet wurde!!!) nicht explizit erwähnt.

      • @Hugo:

        Zum Thema "Definition":



        www.antifolterkonv...n-der-folter-3153/



        Isolationshaft IST Folter, ob



        Definition und Menschenrechte sind offenbar leider beides keine "jus­ti­ti­a­belen" Begriffe.



        Aber Folter bleibt Folter, ob gerichtlich verwertbar oder nicht.



        Und ein Rechtsstaat, der so tut als wäre er einer, IST eben keiner. Rechtsausalegung hin oder her, selbst in der Türkei.



        Dem ist m. E. nichts hinzuzufügen.

        • @Frau Kirschgrün:

          "Dem ist m. E. nichts hinzuzufügen."



          Doch ;) .



          Die Bundesrepublik mit nem aus der nicht vom Volk abgesegneten Verfassung abgeleiteten Folterverbot wendete und wendet ebenfalls Folter an, ich erinnere mal an die Entführung des Unternehmerdynastiesprößlings aus Frankfurt/Main und wie dem Tatverdächtige der Aufenthaltsort des mittlerweile toten Jungen rausgeprügelt werden sollte. Die anschließende Diskussion, wann Folter erlaubt sein soll, war gruselig.



          Schlußendlich schlagen Menschen wie Du jedem*r Staatsbediensteten in der Türkei verbal ins Genick, der von Erdogan & Co. (noch) ned rausgeschmissen wurde und im Dauerausnahmezustand sich an rechtsstaatliche Prinzipien halten will.



          Ebenso Deniz Yücel, dessen Intention, sich freiwillig in der Türkei wegen seiner Publikationen der Justiz zu stellen und damit ein Zeichen zu setzen.

          • @Hugo:

            "Schlußendlich schlagen Menschen wie Du jedem*r Staatsbediensteten in der Türkei verbal ins Genick, der von Erdogan & Co. (noch) ned rausgeschmissen wurde und im Dauerausnahmezustand sich an rechtsstaatliche Prinzipien halten will."



            Sorry, aber Sie glauben auch noch an den Weihnachtsmann…



            Wenn es diese Menchen (in so großer Zahl) wirklich gäbe, dann wäre Erdogan doch längst schon abgewählt.



            M. M.



            Und dass es bei uns keine Folter gäbe, habe ich nun wirklich nicht behauptet.

  • Die Türkei ein Rechtsstaat - unglaublich.

  • Und jetzt husch husch das Geld abholen, ehe es nur noch 380 Euro sind.