Journalist aus Marokko: Ausgespäht von Pegasus
Der marrokanische Journalist Omar Radi sitzt seit Juli 2020 in Haft. Auf seinem Handy war die israelische Spyware Pegasus installiert.
Nicht seine kritische Berichterstattung über die korrupten Machenschaften des Königshauses wurde dem marrokanischen Journalisten und Menschenrechtsaktivisten Omar Radi am Montag zum Vorwurf gemacht. Ein Gericht in Casablanca verurteilte den 35-Jährigen vielmehr wegen Spionage und Vergewaltigung zu sechs Jahren Haft. Radi bestritt die Vorwürfe stets.
Ein Zeuge, der zu Radis Gunsten aussagte, wurde als Mittäter der Vergewaltigung zu sechs Monaten Haft verurteilt. Beide müssen das mutmaßliche Opfer mit umgerechnet 20.000 Euro entschädigen. Immer wieder wird in Marokko Journalist*innen aus allerlei vorgeblichen und nicht berufsbezoegnen Gründen der Prozess gemacht. Eine Journalistin traf es wegen einer angeblichen Abtreibung, die sie vehement abstreitet, einen anderen wegen Ehebruchs. Er habe ein Verhältnis zu einer verheirateten Frau unterhalten, hieß es.
Fast zeitgleich zu Radis Verfahren stand auch der Journalist Soulaiman Raissouni vor Gericht. Der regimekritische Chefredakteur der Zeitung Akhbar Al-Youm, der sich seit Mitte April im Hungerstreik befindet, wurde ebenfalls wegen eines Sexualdelikts zu fünf Jahren Haft verurteilt. Er soll einen LGTBI-Aktivisten zu sexuellen Handlungen genötigt haben. Dieser sagte gegen den Journalisten aus. Ob dies unter Druck geschah oder nicht, lässt sich nicht sagen. Allerdings steht auf Homosexualität in Marokko eine Haftstrafe.
Im Vorfeld des Prozesses wurden kritische Stimmen laut: Die marokkanische Vereinigung für Menschenrechte (AMDH) sowie Reporter ohne Grenzen und Human Rights Watch forderten ein faires Verfahren für beide Journalisten mit angemessenen Verfahrensgarantien. Selbst der diplomatische Sprecher der US-Regierung Ned Price äußerte sich kritisch zu den Verfahren. Sie würden der Verfassung von 2011 und dem Reformprogramm von Königs Mohamed VI. widersprechen.
Schon zuvor wegen Recherchen im Gefängnis
Radi sitzt seit Juli 2020 in Haft. Er wurde wenige Tage nach einer Nachforschung von Amnesty International (AI) festgenommen, bei der herauskam, dass auf Radis Telefon eine israelische Spyware installiert worden war, die alle Tätigkeiten des Smartphones weiterleitete. Radi und AI vermuteten die marokkanischen Behörden hinter diesem Hackerangriff. Es handelte sich um das Programm Pegasus der Firma NSO-Software.
AI beschuldigt Dutzende Länder dieses Spionageprogramm gegen Oppositionelle benutzt zu haben. Das Urteil gegen Radi fiel am gleichen Tag an dem 17 Tageszeitungen weltweit eine Enthüllungsstory veröffentlichten, nach der 180 Journalisten mit Hilfe von Pegasus ausgehorcht worden seien.
Radi verbrachte bereits 2019 mehrere Tage im Gefängnis, nachdem er per Twitter einen Richter kritisiert hatte, der vier Demonstranten aus der Berberregion in Nordmarokko zu langjährigen Haftstrafen verurteilt hatte. “Weder Vergessen noch Vergebung für diese würdelosen Beamten!“ schrieb Radi damals. Nach seiner Verurteilung machte das Motto die Runde durch die sozialen Netzwerke in Marokko.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Kohleausstieg 2030 in Gefahr
Aus für neue Kraftwerkspläne