Journalismus in Iran: Frauen an vorderster Front
Zwei iranischen Journalistinnen droht die Todesstrafe. 15 von 34 derzeit inhaftierten Medienschaffenden sind weiblich – so viele wie noch nie.
Seit Mitte September wurden insgesamt mindestens 42 Medienschaffende festgenommen. Acht von ihnen wurden wieder freigelassen, 34 sitzen noch immer ein, darunter 15 Journalistinnen. Noch nie war diese Zahl so hoch.
„Frauen sind die Vorreiterinnen der Revolution für die Gleichberechtigung der Geschlechter. Sie kämpfen an vorderster Front für die Ablösung der Theokratie durch eine säkulare Demokratie. Sie haben keine Angst vor der Gefahr einer Verhaftung, vor Folter oder sogar dem Tod“, sagt Nazila Golestan, eine iranische Journalistin und Frauenrechtsaktivistin, die in Paris lebt.
Besonders besorgniserregend sind die Fälle der Journalistinnen Nilufar Hamedi und Elahe Mohammadi. Sie waren unter den Ersten, die über den Tod von Jina Mahsa Amini berichtet haben. Nilufar Hamedi berichtete für die Zeitung Shargh aus dem Krankenhaus, in dem Jina Mahsa Amini im Koma lag, bevor sie am 16. September starb. Vier Tage später wurde Hamedi verhaftet. Elahe Mohammadi arbeitet bei der Zeitung Ham-Mihan. Sie reiste in Aminis Heimatstadt Saqez in der Region Kurdistan im Nordwesten Irans, um über deren Beerdigung zu berichten, die zu einer der ersten Protestaktionen wurde. Am 29. September wurde sie verhaftet.
Dieser Text wurde finanziert von der taz Panter Stiftung als Teil einer Beilage zur Frauenrevolution in Iran.
Seit mehr als einem Monat sitzen sie nun im Gefängnis. Vorgeworfen wird ihnen „Propaganda gegen das System und Verschwörung gegen die nationale Sicherheit“ – was die Todesstrafe bedeuten kann. Diese Anklagen lösten eine heftige Reaktion aus: Mehr als 500 Journalist*innen und Medienaktivist*innen aus Iran verfassten einen mutigen Aufruf und forderten die Freilassung ihrer inhaftierten Kolleginnen.
Eine weitere Journalistin, die versuchte, die Wahrheit über den Tod von Jina Mahsa Amini ans Licht zu bringen, wurde am 4. November verhaftet. Nazila Maroufian, eine Reporterin des Nachrichtenportals Rouydad24, veröffentlichte auf der Website Mostaghel ein Interview mit dem Vater von Jina Mahsa Amini, in dem dieser erklärte, dass seine Tochter keine Vorerkrankungen hatte, die Schuld an ihrem Tod sein könnten. Das Interview trug den Titel: „Sie lügen.“ Obwohl der Artikel später entfernt wurde, wurde Nazila Maroufian verhaftet und ins berüchtigte Evin-Gefängnis verlegt.
Vor der aktuellen Repressionswelle saßen in Iran bereits drei Journalistinnen hinter Gittern. Iran belegt seit Langem einen der schlechtesten Plätze auf der von Reporter ohne Grenzen veröffentlichten Rangliste der Pressefreiheit: Platz 178 von 180.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?