Journalismus der Zukunft: Der Text schreibt sich von allein
Die Nachrichtenagentur AP lässt ihre Bilanzberichte künftig von Algorithmen schreiben. Auch die „Berliner Morgenpost“ experimentiert mit Journobots.
„Unternehmen X verzeichnete im vergangenen Quartal Y Gewinne – ein Zuwachs von Z Prozent …“ Texte über Geschäftsberichte sind das Schwarzbrot der journalistischen Arbeit – eine Routinetätigkeit, als hätte ein Roboter sie ausgespuckt. Darum ist es eigentlich nur konsequent, was die US-Nachrichtenagentur Associated Press (AP) in der vergangenen Woche ankündigte: Berichte über Geschäftszahlen von Unternehmen sollen künftig automatisiert erstellt werden. Genauer gesagt: mithilfe von Algorithmen der Firma Automated Insights aus Durham.
Deren Software verarbeitet seit Anfang Juli für AP speziell aufgearbeitete Daten des Unternehmens Zacks Investment Research binnen Sekunden zu einfachen, kurzen Berichten. So will AP nach Aussagen ihres geschäftsführenden Redakteurs Lou Ferrara ihren Output steigern – von heute 300 Storys über Geschäftsberichte pro Quartal auf 4.400 maschinengeschriebene bis Ende des Jahres.
Zunächst sollen die automatisiert generierten Texte noch von Journalisten gegengelesen werden – man hoffe aber, so Ferrara, bald auf ein vollautomatisiertes Modell umsteigen zu können. Jobs soll die Maßnahme nicht kosten. Vielmehr solle sie es den AP-Journalisten ermöglichen, mehr Energie in Analysen, Reportagen und das Aufstöbern exklusiver Geschichten zu stecken.
Die Idee des automatisierten Roboterjournalismus: Statt wenige Artikel zu schreiben, die möglichst viele Leser erreichen, werden zahllose Artikel geschrieben, die auf eine kleine Zahl von Lesern zugeschnitten sind. Dies könnte in Zukunft im Bereich der hyperlokalen Berichterstattung von Interesse sein, wenn zum Beispiel über ein Sportereignis in unteren Ligen oder über einen kommunalen Haushalt berichtet wird.
NYT und der Guardian arbeiten mit Journobots
Das funktioniert wie ein komplexer Lückentext: An zuvor definierte Stellen setzt der Algorithmus bestimmte Daten wie die Namen von Teams oder Unternehmen, die Anzahl der erzielten Punkte beziehungsweise Gewinne in den Textkörper ein. Um die Texte aufzumöbeln oder individueller an bestimmte Lesergruppen anzupassen, kann die Software zusätzlich mit Synonymen gefüttert werden.
AP ist nicht die erste Firma, die die sogenannten Journobots nutzt. Die New York Times erstellt Hochzeitsankündigungen automatisiert, der britische Guardian experimentiert mit einem Algorithmus, der als Blattmacher und Layouter fungiert: Eine Schnittstelle sucht auf der Homepage lange Texte heraus und layoutet sie automatisch so, dass sie in kleiner Auflage ausgedruckt werden können.
Und auch in Deutschland widmen sich erste Unternehmen dem Roboterjournalismus. So experimentiert etwa die Berliner Morgenpost in einem Sonderprojekt zu Feinstaubbelastung damit, Daten von öffentlichen Messstationen in der Stadt in ihre Berichterstattung einzuspeisen.
Über das Potenzial der Journobots gehen die Meinungen auseinander: Während Kris Hammod, Mitbegründer der Automatisierungssoftware Narrative Science, 2012 verkündete, dass in 20 Jahren kein Bereich existieren würde, in dem Narrative Science keine Geschichten schreiben könne, gibt sich der CEO von Automated Insights bescheidener: „Wir produzieren Inhalte, die es zuvor nicht gegeben hätte.“
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