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Jörn Kabisch Angezapft

Berlin hat nicht nur einen Berg, sondern einige Berge. Und sehr viele mehr als den Kreuzberg oder den Prenzlauer Berg. Die Geografen zählen sogar 29 natürliche Bergspitzen und noch viel mehr künstlich angelegte Erhebungen, meist ehemalige Trümmerberge. Kaum einer der Anstiege bringt irgendjemanden ins Schwitzen, gerade mal 120 Meter über Meereshöhe misst der höchste Hügel der Hauptstadt.

Aber es wäre falsch, Berge nur unter alpinen Gesichtspunkten zu beurteilen. Die Berliner Berge, so lächerlich sie sich in den Augen des geübten Kraxlers ausmachen, bieten dennoch Platz für Stollen, Höhlen und Keller und sind damit ausgezeichnete Standorte zur Lagerung und Reifung von Bier.

Die Geschichte der Berliner Berge ist deshalb vor allem eine Geschichte der Brauereien. Noch vor hundert Jahren, damals war Berlin eine Bierhochburg, gab es auf jedem Berg gleich mehrere davon. Wenn sich eine junge Brauerei heute „Berliner Berg“ nennt, dann klingt das zwar absurd, ist aber dennoch geschichtsbewusst.

Klar, dass sich die Brauerei selbst auch auf einem Berg niedergelassen hat, dem Neuköllner Rollberg nämlich. In der angeschlossenen Schankwirtschaft hängen an den roh belassenen Wänden historische Fotos. Das wars dann aber auch schon mit Lokalkolorit. Die vier jungen Männer, die hinter dem „Berliner Berg“ stehen, haben andere Wurzeln, Brauer Richard Hodges etwa stammt aus den USA und hat das Handwerk in München gelernt.

Diese beiden Einflüsse merkt man dem California Wheat an, es ist sowohl süßlich-süffig wie ein bayerisches Bier als auch prall mit Hopfen, so wie es sich zurzeit an der Pazifikküste gehört. Blond, mit einem leichten Orangeton und feiner Trübung, fließt es ins Glas. Der flaumige Schaum schmilzt in ein paar Sekunden zu einem feinen weißen Film. Es will ein Weizen sein und ist es dann doch nicht.

Ein Bier, das nur kurz den Schleier lüftet. Für einen Moment riecht es nach Blumen und Gras. Auch beim ersten Schluck: Ein kurzer Gruß von Zitrone und Heu, dann wird das Bier angenehm kräuterig, die Bitterkeit hält sich im Abgang. Die Perlung ist ebenfalls zart und löst sich, trinkt man nicht zügig, in Luft auf.

Eine flüchtige Schönheit – so lässt sich das Bier am besten bezeichnen. Und weil es sich so rar macht, lohnt es, kleine Gläser zu bestellen – oder kleine Flaschen mit jemandem zu teilen. Ein warmer Spätsommerabend ist genau der richtige Anlass dafür.

California Wheat, Brauerei Berliner Berg, 4,5 % vol.

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