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die dritte meinungJeff Bezos und Captain Kirk leisten keinerlei Beitrag zur Bewahrung der Erde, sagt Robert Saar

Robert Saar, 22, kommt aus Berlin und studiert derzeit in St. Petersburg, ansonsten an der TU Dresden Internationale Beziehungen.

Captain Kirk war endlich im Weltall. Der 90 Jahre alte William Shatner flog auf Einladung Jeff Bezos’ für wenige Minuten in die Atmosphäre. Es bereitet Sorgen, dass Milliardäre unverhohlen von der Kolonisierung weiterer Planeten sprechen. Jeff Bezos’ Raumfahrtunternehmen Blue Origin lässt Privilegierte hoch hinausfliegen. Die Nachrichten überschlugen sich, weil Shatner in der Weltraumsaga „Star Trek“ Captain Kirk war und der älteste Mensch ist, der je im All schwebte.

Das irritiert. Nicht so sehr, weil Raumfahrttourismus dekadent ist, sondern weil dieser Ausflug so bejubelt wird. Shatner rief vor dem Start in die Kamera, wie großartig die Idee von Bezos sei, in der Nähe der Erde zu leben. Er wolle unbedingt die Erde sehen, aber von einer Perspektive aus, von der er sie noch nie gesehen hat: von oben. Auch würde er gerne wissen, was notwendig sei, um die Erde zu retten. Wie genau das im All besser als hier unten klappt, bleibt sein Geheimnis. Denn es ist möglich, von jeder Landschaft ein Foto zu finden, das gilt insbesondere für die Erde selbst. Den Zwang, es mit eigenen Augen zu sehen, während Milliarden von Menschen vom Klimawandel bedroht sind, verstehe ich nicht. Auch die Idee von Bezos, andere Planeten zu bevölkern, ist ziemlich umständlich – immerhin ist die Erde ganz in der Nähe, unter unseren Füßen nämlich. Das Schöne daran ist, dass auch Leute ohne einen Haufen Geld hier zu Hause sein können. Denn das sagt Shatner natürlich nicht, aber es gehört zur Wahrheit: Wenn die Erde dann nicht mehr bewohnbar ist und er längst tot, dann wird es sicherlich weniger Tickets für Erde 2.0 als Menschen geben.

Ich sehe nicht ein, in den Lobgesang eines 90-Jährigen auf einen Milliardär einzustimmen, weil dieser Raumfahrttourismus vorantreibt, anstatt einen sinnvollen Beitrag zur Bewahrung des Planeten leisten. Ich will weder 90 werden noch jemals ins All. Aber ich würde gerne Kinder kriegen, ohne abzuwägen, ob diese überhaupt noch einen Planeten zum Leben haben werden. Denn das ist die Welt, die uns Männer wie Bezos und Shatner hinterlassen.

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