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Jeder Tag mit ihm ist eine große Herausforderung

■ Thabo Mbeki, Mandelas Nachfolger, ist ein brillanter Stratege ohne Charisma. Doch er hält wenigstens das Protokoll ein

Neben seinem Vorgänger wirkt der Mann klein und unauffällig. Weder ist es seine Sache, bunte Ethno-Hemden zu tragen, noch, sich bei jeder Gelegenheit unters Volk zu mischen. Thabo Mbeki bevorzugt Zweireiher und agiert lieber im Hintergrund. Doch damit ist es nun vorbei, denn der 55jährige tritt Nelson Mandelas Erbe an: Auf dem 50. Parteitag des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) wurde er ohne Gegenkandidaten zu dessen Präsidenten gewählt.

Niemand zweifelt daran, daß Südafrikas nächster Staatspräsident ebenfalls Thabo Mbeki heißen wird. Er wird die Partei 1999 in den Wahlkampf führen und dann das Land regieren. Schon jetzt ist Mbeki als Vizepräsident der zweite Mann im Staat. Er führt die Regierungsgeschäfte, während Mandela sich in die Rolle des Elder statesman zurückgezogen hat.

Doch trotz dieser politischen Präsenz weiß man über die neue Nummer eins nur wenig. Selbst südafrikanische Zeitungen fragen immer wieder: Wer ist der Mann eigentlich? Die Eckdaten einer Musterkarriere sind rasch aufgezählt. Geboren 1942 im einstigen Homeland Transkei, Vater der berühmte Kommunist Govan Mbeki, seit 1962 Exil. Diplom der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Sussex, militärische Ausbildung in Moskau, rechte Hand von ANC-Präsident Oliver Tambo im Exil, später Chef der mächtigen ANC-Informationsabteilung.

1994 wurde Mbeki neben Frederik Willem de Klerk Vizepräsident in Mandelas Kabinett. Dort hat es der Mann ohne Eigenschaften verstanden, seine Macht zu konsolidieren und seine Konkurrenten systematisch auszuschalten. Als im Mai 1995 Südafrikas erste demokratische Verfassung verabschiedet wurde, lag ihm die Nation zu Füßen. „Ich bin ein Afrikaner“, sagte er und brachte so seine Vision einer „Afrikanischen Renaissance“ zum Ausdruck.

Doch die Standing ovations des Publikums hätten eigentlich einem anderen zugestanden. Baumeister der Verfassung war keineswegs Mbeki, sondern Cyril Ramaphosa, damals noch Generalsekretär des ANC. Der charismatische Politiker hätte auch zum Nachfolger von Mandela getaugt, doch der Präsident hatte sich längst festgelegt. „Freiwillig“ gab Ramaphosa auf und wechselte in die Wirtschaft. Ähnlich ging es anderen Anwärtern auf die Thronfolge.

Dabei fehlt Mbeki etwas, was ihm noch zu schaffen machen wird: Charisma. Er ist ein brillanter Stratege, manche sagen, ein Technokrat. „Mit ihm Konzepte zu entwickeln ist jeden Tag eine große Herausforderung“, schwärmt Kirchenmann Frank Chikane, Chefberater im Büro Mbekis. Der einstige Marxist Mbeki versteht es ebenso, die Ängste von Geschäftsleuten vor einer sozialistischen Wirtschaftsordnung zu zerstreuen wie mit Genossen über Strategie und Taktik zu debattieren.

Nie aber wird Mbeki Protokollchefs zur Verzweiflung bringen, weil er sich wie Mandela spontan unter die Ärmsten der Armen mischt und Babys auf den Arm nimmt. An der ANC-Basis, unter Township-Jugendlichen und Kleinbauern auf dem Land, wirkt Thabo Mbeki deplaziert. Doch er ist viel zu klug, als daß er nicht um seine Schwächen wüßte. Und er ist selbstbewußt genug, jeden Vergleich mit Mandela abzulehnen. „Muß ich erst 27 Jahre ins Gefängnis und noch wachsen?“

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