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Jarina Kajafa über das Ukraine-Referendum in HollandAuf dem Rücken der Bedrängten

Seit dem Schweizer Minarett-Streit erhitzte keine andere Volksabstimmung die Gemüter so sehr wie das Referendum zum EU-Assoziierungsabkommen mit der Ukraine in Holland. Rund 64 Prozent lehnten den Vertrag ab. Und kippten damit nicht nur die Entscheidung der eigenen Regierung, sondern zeigten es auch den anderen 27 EU-Staaten, die das Abkommen bereits ratifiziert haben. Und das im Jahr der eigenen EU-Ratspräsidentschaft.

Zur Erinnerung: Die Nichtunterzeichnung des Abkommens in letzter Minute kostete den ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowitsch 2013 das Amt und führte später zur Maidan-Revolution, der Krim-Annexion und dem blutigen Donbass-Krieg. Um die Ukraine ging es in Holland aber nur formell. Die Initiatoren machten nie einen Hehl daraus, dass das wahre Ziel der Abstimmung die Abrechnung mit Brüssel war.

Schon 2005 verpassten die Niederländer bei einem ähnlichen Votum gegen die EU-Verfassung ihrer Regierung einen Denkzettel. Damals setzten sich die Regierenden darüber hinweg. Diesmal wird es Ministerpräsident Rutte mit Blick auf die Wahlen 2017 schwerer haben, die Stimmen zu ignorieren.

Die Schlappe der niederländischen Regierung steht symbolisch für das Dilemma der EU, die sich in ihren Entscheidungen über nationale Interessen hinwegsetzt. Das Ukraine-Referendum, das keines war, wird Geschichte schreiben. Als Präzedenzfall für andere EU-Länder. Und als ein hybrides Referendum, bei dem sich Populisten jeder Couleur auf dem Rücken eines leidgeprüften Landes austobten.

Dabei bräuchten junge ukrainische Reformer, die gerade wieder von einer alten korrupten Garde gegen die Wand gedrückt werden, dringend ein Zeichen der Solidarität. Es sei denn, der Westen pocht darauf, dass die EU ein Elitenprojekt bleibt und ein Leben in Wohlstand und Würde sein Privileg.

Die Autorin schreibt aus Sorge um ihre Sicherheit unter Pseudonym.

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