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Jäger nach Wolfsabschuss freigesprochenNotwehr gegen Wölfe ist erlaubt

Das Amtsgericht Potsdam urteilt: Um ihre Jagdhunde zu schützen, dürfen Jäger Wölfe töten. Die Agrarministerin fordert noch mehr Abschussrechte.

Ist zwar eingesperrt, dafür aber sicher: Wolf im Tierpark Schorfheide nördlich von Berlin Foto: imago

Potsdam taz | Jäger dürfen einen Wolf töten, der auf einer Jagd ihre Jagdhunde angegriffen hat. Das hat das Amtsgericht Potsdam am Montag geurteilt und einen Jäger freigesprochen, der wegen Verstoß gegen das Bundesnaturschutzgesetz angeklagt worden war. Die Staatsanwaltschaft hatte gefordert, den Mann zu einer Geldstrafe von 10.500 Euro zu verurteilen.

Der Jäger aus den Niederlanden hatte im Januar 2019 an einer Treibjagd im brandenburgischen Fläming teilgenommen, bei der Rehe und Wildschweine gejagt wurden. Der 61-Jährige saß auf einem Hochsitz – was dann geschah, blieb während der Verhandlung am Montag weitgehend im Dunkeln, weil sich diverse Zeugen widersprachen. Der Angeklagte selbst sagte, er habe gesehen, wie ein Wolf einige Jagdhunde angriff, und habe ihn erlegt, um die Hunde zu schützen. Ein Mitjäger bestätigte das: Zwar habe er die Situation nicht sehen, dafür aber hören können. Es habe eindeutig einen Kampf gegeben, die Hunde hätten laut geklagt. Er habe zwei Schüsse gehört, nach dem zweiten seien die Klagen verstummt.

Ein weiterer Zeuge, ebenfalls Jäger, war kurz nach dem Vorfall an der Abschussstelle und widersprach; er sagte aus, er habe keine Kampfspuren ausmachen können. Ein geladener Tierarzt bestätigte die Behandlung verletzter Jagdhunde nach der Jagd. Die Tierpathologin, die den toten Wolf untersucht hatte, fand keine Spuren einer Beißerei. Das Gericht musste also entscheiden, ob der Schütze einen angemessenen Grund hatte, den Wolf zu töten. Weil keine Beweise vorlagen, die dies widerlegten, wurde der Jäger freigesprochen.

Der Deutsche Jagdverband maß dem Urteil im Vorfeld laut Potsdamer Neuesten Nachrichten „Signalwirkung für alle Jäger“ zu, weil diese Rechtssicherheit im Wald benötigten. „Die Frage ist doch, was ist mehr wert: ein Hund, als Familienmitglied, der jahrelang ausgebildet worden ist? Oder ein Wolf?“, hatte der Verband gefragt.

Populismus, der niemandem weiterhilft

Die Rechtssicherheit der Jäger habe allerdings nie in Frage gestanden, sagt Axel Kruschat, Geschäftsführer des Bunds für Umwelt und Naturschutz Brandenburg. „In Notwehrsituationen darf man sich auch gegen den streng geschützten Wolf wehren“, so Kruschat. Auch er würde seinen Hund verteidigen, wenn dieser angegriffen werde. Dass der Jagdverband aus diesem speziellen Fall nun eine Grundsatzfrage mache, sei aber nicht angemessen – und Forderungen nach immer neuen Erleichterungen für Wolfsabschüsse „purer Populismus, die niemandem weiterhelfen“.

Der Vorwurf ging an Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU). Denn auch sie hatte sich am Montag mit dem Thema Wolf beschäftigt. Klöckner sprach sich für einen gezielten Abschuss von Wölfen in Regionen aus, in denen bereits viele Tiere leben. „Der gute Erhaltungszustand beim Wolf ist in einigen Bundesländern, darunter Niedersachsen, erreicht“, sagte Klöckner der Neuen Osnabrücker Zeitung. 2019 hätten Wölfe fast 3.000 Nutztiere getötet oder verletzt. „Wo soll das enden, wenn man es einfach ließe?“, fragte die CDU-Bundesvize.

Kruschat vom BUND ist gegen Abschusserleichterungen für Problemwölfe, die Nutztiere angreifen. „Schießen Jäger die falschen Tiere ab – etwa Leitwölfe eines funktionierenden Rudels, – dann griffen die übrigen Tiere viel eher Nutztiere“, sagt er.

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7 Kommentare

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  • @Franz Ein Hütehund hütet Tiere. Sie sprechen sicher von Herdenschutzhunden (HSH). HSH bewachen und beschützen Weidetiere, wenn es sein muss kompromisslos gegen alle Eindringlinge in ihr Revier (Wölfe, Hunde,Menschen)!



    Die Rolle der Umweltkonzerne NABU, BUND mit ihren Millionenumsätzen in der Wolfspolitik verdient öffentliches Interesse. Wer extensive Weidetierhaltung betreibt tut es häufig auf Flächen von NABU und co. Wer kritisiert als kleiner Subunternehmer (Schäfer) seinen Großgrundbesitzer? Allein der NABU besitzt einige tausend Hektar Land.



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  • @Danny Schneide, Ich kenne auf dem Dorf viele Jäger, die meisten haben keinen Jagthund. Gehen diese einzeln jagen, wird im Bedarfall einer benötigt wird ein befreundeter Jäger mit Hund gerufen.

  • "Um ihre Jagdhunde zu schützen, dürfen Jäger Wölfe töten."

    Also quasi immer - weil, wer soll das Gegenteil beweisen?

  • Mimimi. Was für Jagdhunde, zumal mehrere, können sich denn nicht gegen einen einzelnen Wolf wehren? Legt euch anständige Hunde zu. Der Wolf ist ja kein Superman.

    • @kditd:

      Freilaufende Hunde werden von Wölfen in der Regel getötet und gefressen.

      • @Klempner Karl:

        Genau - drum funktioniert das auch mit den Hütehunden. Weil der Wolf einfach den einzelnen Hund umbringt und sich dann an den Nutztieren vergreift.

        Sorry, das ist Blödsinn. Deutsche Bauern und Jäger sollten einfach lernen mit dem Wolf klar zu kommen. In anderen Ländern gehts ja auch!

        • 8G
          8190 (Profil gelöscht)
          @danny schneider:

          Richtig gute Hütehunde sind teuer, Wölfe werden immer zahlreicher und lernen ständig dazu. Prinzipiell helfen nur Mauern. Wölfe sind mit der Weidehaltung, wie wir sie kennen, nicht kompatibel - also ein weiteres gutes Argument für Stall- und Massentierhaltung. Danke BUND, NABU und allen anderen Wolfsschützern.