JD Samson und ihre Band MEN: Körperkult und Orangensaft
JD Samson ist anders. Dass sie in der feministischen Band Le Tigre als "der Neue" bezeichnet wurde, juckte sie nicht. Jetzt will sie mit ihrer Band MEN den Dancefloor radikalisieren.
JD Samson ist ein Sexsymbol. Mit zahllosen Tattoos auf ihrem schmächtigen Körper, einem überhippen Kleidungsstil zwischen nerdigem Schulbub aus dem Computerclub und weltgewandtem Clubber mit Gangster-Flair, und vor allem mit einem unübersehbaren Flaum auf der Oberlippe steht sie für ein neues androgynes Schönheitsideal, das nicht nur lesbische Mädchen auf der ganzen Welt kirre macht.
Dass die New Yorker Musikerin, die nach ihrem Einstieg bei der feministischen Elektro-Band Le Tigre von der Presse bisweilen ahnungslos als "der Neue" apostrophiert wurde, dabei nicht in gängige Muster von weiblicher Sexiness gepresst werden kann, juckt sie wenig. Schon 2003 gab sie "JDs Lesbian Calendar" heraus. Auf den Fotos war sie in klassischen Pin-up-Posen abgebildet, etwa als Baywatch-Girl mit roter Boje - allerdings in der von ihr gewählten Identität als (maskuline) Butch-Lesbe mit Muckis und Schnurrbart.
Le Tigre lösten sich nach ihrem Abgang zum Major-Label Sony - vermutlich - folgerichtig auf. Auch von den ehemaligen Bandkolleginnen Kathleen Hanna und Johanna Fateman sind vorerst keine neuen Töne zu vernehmen. Also trug JD das Neon-Leuchtstäbchen weiter und stürzte sich ins nächste Projekt: MEN startete als DJ- und Remix-Team mit Jo Fateman und besteht in der Bandvariante nun aus Samson, Ginger Brooks Takahashi und Michael ONeill. "Talk About Body" ist als Albumtitel für die Musikerin, die bei Le Tigre verunsicherte queere Jugendliche mit der Coming-out-Hymne "Keep on livin'" am Leben hielt, fast schon zwingend, steht sie doch wie keine andere Popkünstlerin für die Thematisierung "devianter" Körperpolitiken.
Auch wenn die Slogan-getriebene Agit-P(r)op-Haltung des Vorgänger-Projekts in MEN weiterlebt, so ist der mitreißende Riot-Grrrl-meets-Beats-Gestus von Le Tigre einer weniger aufgepeitschten 80er-Jahre-Neuinterpretation von Dancefloor gewichen: "Orange Juice is the Center of the World", heißt es im bekennerischen "Rip Off"; "Post-Punk", "Disco", "Funk Rhythms" und auch Gang of Four werden im selben Stück geherzt.
Gitarren zwischen Afro-Beat, Manchester-Rave und auch mal U2-artigem Geflimmer sind immer ganz oben auf dem Zaun zwischen hip und cheesy. Dazu spielen Oktavbässe und tropische Percussions, umwickelt von JDs gewohnt zartstimmig intonierten Vocals. Ihre kraftvollen Parolen thematisieren lesbische Elternschaft genauso wie Kriegsökonomien. Die Texte lassen tatsächlich an die Auslotung dessen glauben, was sich das Bandkollektiv auf die Fahnen geschrieben hat: das Potenzial von Tanzmusik zu radikalisieren.
MEN: "Talk About Body" (IAmSound/Sony); live, 25. 2. Hamburg "Große Freiheit", 26. 2. Berlin "Komet".
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!