Italien: Mit Prodi gegen Prodi

Hunderttausende haben in Rom gegen die zaghafte Politik des Regierungschefs protestiert - und gleichzeitig die Mitte-links-Regierung zum Weitermachen aufgefordert.

Vorwurf, das Koalitionsprogramm beiseite gelegt zu haben: Regierungschef Romano Prodi Bild: dpa

Nieder mit Prodis Politik, hoch lebe die Regierung Prodi! Hunderttausende Menschen - nach Angaben der Veranstalter gar eine Million - gingen am Samstag in Rom auf die Straße, um ihrer Enttäuschung über die seit gut einem Jahr amtierende Mitte-links-Regierung Luft zu machen und sie zugleich zum Weitermachen aufzufordern.

Aufgerufen zu dieser dialektischen Übung hatten die zwei Tageszeitungen der radikalen Linken, Il Manifesto und Liberazione, Organ der Regierungspartei Rifondazione Comunista. Und gefolgt waren in Massen die Anhänger der beiden kommunistischen Parteien, die linken Basisgewerkschaften, die Metallarbeiter des größten Gewerkschaftsbundes CGIL, Studenten, Schwule und Lesben, Immigranten, Arbeitsloseninitiativen und prekär Beschäftigte.

"Wir sind alle ein Programm" hieß es auf dem Transparent an der Spitze des Zuges, und dann "Gegen jedes Prekariat". Der Vorwurf gegen Romano Prodi: Er habe das gemeinsame Koalitionsprogramm, mit dem im April 2006 die Wahlen gegen Silvio Berlusconis Rechte gewonnen wurden, schlicht beiseite gelegt. Der Vorwurf ist nicht aus der Luft gegriffen. Jenes Wahlprogramm hatte nicht bloß die Abschaffung zahlreicher Berlusconi-Gesetze auf dem Felde der Justiz versprochen, sondern auch eine deutliche Korrektur der Arbeitsmarktgesetzgebung oder die Einführung eingetragener Lebensgemeinschaften für Schwule und Lesben. Realisiert wurde bisher jedoch so gut wie nichts.

Bei der Arbeitsmarktpolitik konnte sich die Koalition bloß zu Minimalschritten durchringen, die das bei der italienischen Linken berüchtigte "Gesetz 30" von 2002 mit seiner Komplettflexibilisierung des Arbeitsmarkts kaum antasten. Auch bei der Rentenpolitik fielen die Korrekturen gegenüber Berlusconis Reformen überaus vorsichtig aus, zu vorsichtig für die radikal linken Parteien der Koalition und ihre Wähler.

Prodi weiß bei seiner zurückhaltenden Politik den wichtigsten Partner in der Koalition, die gerade aus dem Zusammenschluss der Linksdemokraten und der Mittepartei Margherita entstehende Demokratische Partei, hinter sich. Auch die Sozialpartner haben in den vergangenen Wochen einen Kompromiss zu Renten- und Arbeitsmarktpolitik abgenickt; die drei großen Gewerkschaftsbünde ließen sich diesen Kompromiss in einem Referendum unter Italiens Arbeitnehmern und Rentnern eindrucksvoll bestätigen: Mehr als vier Millionen von fünf Millionen Abstimmenden billigten den Sozialpakt. Und dann erhielt Prodis Regierung vergangene Woche mit der Urwahl des neuen Vorsitzenden der Demokratischen Partei - 3,5 Millionen Menschen beteiligten sich - eine weitere Stärkung.

Mit ihrer Demo vom Samstag hielt jetzt die radikale Linke dagegen - mit ebenfalls durchschlagendem Erfolg. Die Einigungsbemühungen der Linken werden sich jetzt weiter verstärken: Die beiden kommunistischen Parteien und der Linksflügel der Linksdemokraten, die sich aus Gegnerschaft gegen die Demokratische Partei abgespalten hatte, wollen zusammen mit den Grünen schon für die kommunalen Wahlgänge 2008 mit einer starken linken Einheitsliste antreten. Ob die Regierung Prodi dann noch existiert, steht in den Sternen. Doch die Linke wird ihn kaum kippen - sie will politische Korrekturen im Bündnis, nicht dessen Bruch. Eher schon muss Prodi sich um gleich sechs Senatoren Sorgen machen, die am rechten Rand seiner Koalition für Unruhe sorgen - und die ihn jederzeit stürzen können.

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