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■ Istanbul: Der Anschlag auf ein Kaufhaus könnte das Land spaltenDie Realität des Terrors

Als Gudrun Ensslin und Andreas Baader vor Gericht erklärten, warum sie mitten in Europa ein Kaufhaus in Brand setzten (wohlgemerkt nachts, als das Haus leer war), antworteten sie, damit solle der Krieg aus dem Dschungel Vietnams in die Wirklichkeit der westlichen Metropolen geholt werden. Sie versprachen sich davon eine Propaganda der Tat. Auch die PKK hat seit Jahren immer mal wieder davon geredet, den Krieg aus den Bergen im Südosten des Landes in die türkischen Metropolen zu tragen. Seit Abdullah Öcalan aus Syrien vertrieben wurde und seit der türkische Geheimdienst ihn in Nairobi schnappte, drohen PKK-Sprecher damit, „im Herzen des Feindes“ zuzuschlagen. Seit Samstag herrscht in Istanbul die Realität des Terrors.

Der Terror ist blind und sein Ergebnis ist Haß. Die Menschen, die am Samstag in dem Kaufhaus in Göztepe verbrannten, hätten jedermann sein können. Die Täter hatten nur ein Ziel: möglichst viele zu treffen. Die RAF der frühen 70er Jahre glaubte im Namen der Befreiungsbewegungen der Dritten Welt zu agieren – Zustimmung in der deutschen Bevölkerung hielt sie für überflüssig. In wessen Namen die Attentäter in Göztepe auch immer gehandelt haben, das Ergebnis, über die Toten hinaus, ist völlig klar: mehr Haß.

Wenn die Täter wirklich glaubten, im Namen einer kurdischen Minderheit zu handeln, haben sie dieser den denkbar schlechtesten Dienst erwiesen. Im schlimmsten Fall wird herbeigebombt, was bisher immer noch nicht existiert: ein allgemeiner Haß auf die kurdische Bevölkerung, unabhängig davon, was der einzelne politisch will oder denkt. Mit jedem weiteren Attentat wird die Chance für eine zivile Konfliklösung geringer, steigt die Legitimation für Polizei und Militär, hart durchzugreifen. So wie die RAF es fast geschafft hat, in Deutschland einen Polizeistaat herbeizubomben, wird der Terror in der Türkei den Polizei- und Militärstaat verhärten.

Paradoxerweise schwächt sich der zivile Staat im Moment auch noch selbst, indem ein Teil des Parlaments aus rein taktischen Erwägungen, die mit den realen Konflikten des Landes nichts zu tun haben, die bevorstehenden Wahlen zu verhindern sucht und damit auch eine mögliche stabile Regierung verhindern würde. Gelingt es den aufständischen Abgeordneten im Verein mit der islamischen Fazilet-Partei tatsächlich, die Wahlen zu verhindern und Ecevit zu kippen, während der Terror auf den Straßen weitergeht, könnte erneut eine Situation entstehen, in der das Militär gute Gründe hat, die Rettung des Vaterlandes wieder allein in die Hand zu nehmen. Jürgen Gottschlich

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